Das Hernstein Institut der Wirtschaftskammer hat in einer Umfrage rund 1.600 Führungskräfte in Österreich und Deutschland über Ihre Erfahrungen mit Führung und Homeoffice befragt. Die Studie des Hernstein Instituts ist her zu finden. Es ging in der Studie vor allem um die Veränderungen durch die Covid Krise, um das Umfeld für Homeoffice und die persönlichen Rahmenbedingungen und um Zusammenarbeit über die Distanz. Es zeigt sich dass Corona die Arbeitswelt dramatisch verändert hat. Vor Corona hatten 15% der Führungskräfte im Homeoffice gearbeitet, derzeit sind es über 50%. Ungefähr 38% der Führungskräfte wollen auch nach Corona weiterhin zumindest teilweise im Homeoffice arbeiten. Die Frage ist nach dem verstärkten Wunsch zur Rückkehr ins Büro auch eine bestimmte Haltung erkennbar ist?
Führung und Homeoffice
Aus den Zahlen sieht man, dass die Führungskräfte annehmen, dass sie verstärkt im Büro gebraucht werden. Bei einer Stepstone Studie, bei der Mitarbeitende befragt wurden geben rund 90% an, dass Sie gerne aus dem Homeoffice arbeiten möchten. Laut einer Studie von EY wollen sie das ungefähr 2 Tage in der Woche. Mitarbeitende wollen also zu 90% von zu Hause arbeiten. Ihre Chefs nur zu 38%.
Aber die Produktivität!
Laut der Studie Homeoffice 2020 Österreich von EY schätzen Unternehmen die Mitarbeiterproduktivität im Home-Office unterm Strich als etwas weniger hoch ein als beim Arbeiten im Betrieb. Es scheint hier noch immer die Überzeugung der Führungskräfte dass sie ihre Teams nur führen können, wenn sie diese in ihrer Nähe – und damit “im Griff” haben. Hier ist noch viel Arbeit zu leisten um die innere Haltung der Führungskräfte zu verändern. Es fehlt hier in vielen Bereichen noch immer an, dass die eigenen Teams auch produktiv arbeiten, wenn sie nicht unter ständiger Aufsicht der Führungskräfte sind. Aus persönlichen Gesprächen mit Personalverantwortlichen weiß ich dass es in einigen Unternehmen mit Mitarbeiter*innen im Homeoffice eher die Gefahr gibt, dass die Mitarbeiter*innen zu viel arbeiten. Hier müssen konkrete Maßnahmen gesetzt werden, damit die Mitarbeiter*innen auf sich und ihre Gesundheit schauen. Im Grunde unterstellen die Führungskräfte ihren Mitarbeitenden in dieser Studie, dass sie alle faul sind.
Flexible Arbeitszeiten und Kontrolle?
Mit dem Homeoffice geht auch die Flexibilisierung der Arbeitszeiten einher. Laut der gleichen Studie von EY halten 62% der befragten die Flexibilisierung der Arbeitszeiten für die Einführung von Homeoffice für wichtig. Laut der Hernstein Studie geben drei Viertel der Unternehmen an, dass sich Privatleben und Berufsleben vermischen. Die Mehrheit der befragten Unternehmen sehen in Bezug auf Arbeitsrechtliche Bedingungen hier zumindest teilweise Veränderungsbedarf. Arbeitszeiten können im Homeoffice nicht mehr kontrolliert werden. Die Führungskräfte müssen sich darauf verlassen, dass ihre Mitarbeiter im Homeoffice ihren Job machen. Das ist für einige noch immer schwierig. Ich selbst hatte in meiner Rolle als Geschäftsführer mit meinem Eigentümer eine Diskussion, dass ich meine Mitarbeiter*innen am Montag und am Freitag nicht aus dem Homeoffice arbeiten lassen darf, weil sie sich dann “ein verlängertes Wochenende machen”.
Herausforderungen in der Führung im Homeoffice
Im Homeoffice gibt es viele Herausforderungen für Führungskräfte. Zum einen sieht man nicht mehr ob die Mitarbeitenden überhaupt etwas arbeiten. Im Grunde sieht man das im Büro auch nicht. Jemand kann den ganzen Tag in den Bildschirm starren und nichts arbeiten oder den ganzen Tag in der Cafeteria sitzen und hoch produktiv sein. Hier hilft nur Vertrauen in das eigene Team. Das zweite Problem ist die Kommunikation. Sie verläuft in großen Bereichen elektronisch. Bei der schriftlichen Kommunikation gehen Körperhaltung, Gestik und Mimik verloren, das führt oft zu Missverständnissen. Die Aufgabe der Führungskräfte ist es die Kommunikation in den Teams zu fördern und aufkeimende Konflikte aus dem Weg zu räumen. Ein weiteres Problem ist die soziale Komponente. Hier sollten Führungskräfte dafür sorgen, dass der Kaffeetratsch im Homeoffice nicht zu kurz kommt und der sozialen Vereinsamung entgegenwirken. Fachlich können Führungskräfte oft nicht die Probleme der Teammitlgieder lösen, hier kommt ihnen die Rolle eines Coaches zu, der den Mitarbeiter*innen hilft ihre Probleme selbst anzugehen und zu lösen.
Moderne Führung und Homeoffice
Moderne Führungskräfte die die aktuelle Situation besser meistern haben eines gemeinsam. Sie haben eine andere Haltung als jene, die ihre Mitarbeiter kontrollieren wollen, um sicherzustellen, dass diese auch brav ihren Job machen. Es geht bei moderner Führung darum nicht durch überprüfen der Arbeit sicherzustellen, dass Mitarbeiter*innen ihre Arbeit machen. Die Corona Krise hat besonders deutlich gemacht, dass es vor allem auch darum geht auf die Menschen und ihre Lebenssituationen Rücksicht zu nehmen. Eine verständnisvolle Führungskraft, die Rücksicht darauf nimmt dass eine Mutter nebenbei auch Homeschooling machen muss, oder ein Vater auch auf die Kids aufpassen muss. Es geht um Rücksichtnahme, Vertrauen in die Kompetenzen der Mitarbeiter*innen, um die notwendige Unterstützung und Rückhalt.
Laut Martin Permantiers Buch “Haltung entscheidet” gibt es 6 Haltungen die wir einnehmen können. Von unten nach oben in der folgenden Grafik sind dies:
- Die selbstorientierte impulsive Haltung
Hier geht es darum Sicherheit zu erlangen - Gemeinschaftsbestimmt konformistische Haltung
Hier geht es vordergründig darum Ordnung zu schaffen, und sich an etablierte Regeln zu halten - Rationalistisch funktionale Haltung
Hier geht es vorwiegend darum dass die Zahlen stimmen. Effizienz ist das höchste Gut. - Eigenbestimmt souveräne Haltung
Hier geht es um die Erreichung der eigenen Ziele, Karriere machen, Status - Relativierend individualistische Haltung
Die Vielfalt von Meinungen Schätzen, Diversität, Eigene Werte - Systemisch autonome Haltung
Sinn, Ganzheit, Zusammenhänge
Es sind ist in jeder Organisation eine Haltung vorwiegend. Haltungen können nur in der Pfeilrichtung durchlaufen werden. Also um auf eine höhere Stufe zu kommen, muss man sich auf der darunter liegenden befunden haben. Eine Organisation kann nicht auf einer höheren Stufe sein, als ihr Management.
Viele Organisationen befinden sich auf der rationalistisch funktionalen Ebene. Das einzige das zählt ist Shareholder Value – und damit dass die Zahlen passen. Der Rest ist uns egal. Auf dieser Ebene interessieren Menschen nur insofern, dass sie funktionieren müssen. Solche Organisationen nehmen nur wenig Rücksicht auf Menschen. Es gibt Jobprofile und Menschen werden in diese gepresst. Was nicht passt, wird passend gemacht. Diese Haltung stammt aus dem Industriezeitalter. Sie berücksichtigt die Bedürfnisse der Mitarbeitenden nicht. Es gibt aus der gemeinschaftsbestimmten Haltung noch strikte Vorgaben an die man sich zu halten hat. Das Management prüft die Einhaltung der Vorgaben. Prozessoptimierung, Lean Management und ISO 900x, Mitarbeiterbewertungen kommen aus dieser Zeit.
Auf der eigenbestimmt souveränen Haltung zählen die persönlichen Ziele. Es geht um Zielerreichung und Status. Die Mitarbeitenden haben relativ freie Hand Ihre Ziele zu erreichen. Regeln werden auf Sinnhaftigkeit hinterfragt. Das Management prüft die Erreichung der persönlichen Ziele. Auf dieser Stufe zählt das größere Dienstauto oder das Eckbüro mit mehr Fenstern. Dann hat man es geschafft. Arbeit ist Berufung und Menschen definieren sich über Ihre Arbeit. Wohlstand ist Ausdruck von Erfolg. Persönlichkeitsentwicklung, flachere Hierarchien flexible Arbeitszeiten, angepasste Stellenprofile sind in dieser Haltung zu finden.
Auf der relativierend individualistischen Ebene sind Mitarbeitende über Statussymbole wie Dienstwägen nicht mehr zu motivieren. Es zählt die sinnvolle Tätigkeit mehr als Status. Viele Unternehmen können die Frage nach dem Sinn des Unternehmens (und nein, es ist nicht Geld verdienen) gar nicht beantworten. Diese Unternehmen haben es schwer Mitarbeitende der jüngeren Generation davon zu überzeugen für sich zu arbeiten. Menschen haben innerhalb bestimmter Grenzen Handlungs- und Entscheidungsfreiheit. Der Beruf ist ein sich wandelnder Begleiter. Gemeinsame Ziele, Vertrauensarbeitszeit, Mitarbeiterorientierung, positive Fehlerkultur (Lernen), Innovationskultur, Diversität und Nachhaltigkeit prägen diese Haltung.
Um ein Unternehmen auf eine höhere Stufe zu entwickeln braucht es zwei Dinge. Zum einen muss das Unternehmen gemeinsam mit den Mitarbeitenden definieren wofür es steht, welche Werte es hat und wo es hin will. Ohne Sinn und Leitbild befinden sich Unternehmen auf einer Irrfahrt. Wenn diese Dinge klar sind, braucht es ein Führungsteam, dass sich in der Haltung befindet, wo die Organisation sein will. Und diese Zielhaltung kann immer nur eine Stufe höher sein, als jene auf der sich die Organisation derzeit befindet. Nach der Entwicklung des Unternehmensleitbildes steht die Entwicklung des Führungsteams an zweiter Stelle. Erst danach kann an einer Veränderung der Unternehmenskultur gearbeitet werden.
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Werner Illsinger ist systemischer Coach, Unternehmensberater sowie Lektor an der FH-Kärnten. Sein Herzensanliegen ist es, dass Arbeit Spaß macht.