- Sigi Maurer
Studentin / Mitarbeiterin am IHS - Birgit Leitner-Telser
Leiterin Community-Management, ORF - Thomas Weber
Öffentlichkeitsarbeit, Europaparlament - Heinz Wittenbrink
Leiter Studiengang Content-Strategie, FH Joanneum - Andre Wolf
Pressesprecher, Content- and Social Media Coordinator, Mimikama
Veränderung in der Medienlandschaft
Die digitale Transformation hat zu einigen Veränderungen geführt. Zum einen kann jeder heute Inhalte (Content) produzieren. Die Schwelle Inhalte zu produzieren war früher sehr hoch. Heute benötigt man einen PC, einen Internetzugang und eventuell eine Webcam.
Früher benötigte man dafür einiges an Investitionen. Verlagshäuser/Medienhäuser stellten die komplexe Infrastruktur für die Erzeugung und Verbreitung der Inhalte zur Verfügung. BloggerInnen und VloggerInnen (bei Video Blogs) benötigen heute weder Medienhäuser noch eine komplexe Infrastruktur.
Um bei dieser großen Fülle an Informationen erfolgreich zu sein, muss der Inhalt kompromisslos auf den Konsumenten ausgerichtet sein. Die KonsumentInnen haben eine extrem große Auswahl. Nur wenn der Inhalt so produziert ist, dass er für eine große Masse interessant und leicht zu konsumieren ist, wird der Content aus den schier unendlichen Angeboten ausgewählt und bekommt Reichweite. Um Reichweite zu bekommen, werden die Inhalte auch reißerisch formuliert. Die meisten Blogs, die nicht kommerziell sind, leben von Werbeeinnahmen. Werbeeinnahmen sind von der Anzahl der “Klicks” (Aufrufe) abhängig.
Qualität des Inhaltes
Redaktionen von Qualitätsmedien haben ein Redaktionsstatut, das Vorgaben enthält, was erlaubt ist und welche Anforderungen ein Inhalt erfüllen muss, bevor er in Druck geht, ausgestrahlt wird, oder online geht. Bei der Vielzahl an Online Medien, Blogs etc. entfallen diese Regelungen. Oft ist es also einfach so, dass Inhalte mit Fehlern online gehen, weil der Beitrag schlecht recherchiert oder von einer anderen Stelle “abgeschrieben” wurde.
Früher hatten Medien eine Gatekeeper Funktion. Die Medien bestimmten, was die Öffentlichkeit zu Gesicht bekommt. Diese Gatekeeper Funktion ist durch die digitalen Medien weitgehend weggefallen.
Problem Fake News
In manchen Fällen ist “Fake News” derartig schlecht recherchierter Content ohne böse Absicht.
Fake News wird aber auch als Begriff verwendet, um korrekte, qualitativ gute und gründlich recherchierte Inhalte in Misskredit zu bringen. Damit wird aber nicht nur dieser eine Inhalt in Misskredit gebracht, sondern das gesamte Medium oder der Journalismus als Ganzes. Damit wiederum sinkt das Vertrauen in die Medien.
In vielen anderen Fällen ist “Fake News” aber Propaganda. Also mit absichtlich lanciertem Inhalt, um die Stimmung oder Meinung der Bevölkerung zu beeinflussen. In diesem Fall werden Informationen mit Absicht falsch dargestellt, in einen falschen Kontext gesetzt oder anders verzerrt dargestellt, um mit den Ängsten von Menschen zu spielen. Hier handelt es sich um tendenziöse Berichterstattung.
Erkennen von Fake News
Der Mensch ist so konstruiert, dass er grundsätzlich nach Informationen sucht, die seine eigenen Meinungen bestätigen. Fake News bedienen dieses Bedürfnis. Es werden also Fakten so verzerrt dargestellt, dass sie dem Wunsch nach Bestätigung nachkommen. Das macht es oft schwierig, weil die Menschen den Inhalt ja glauben wollen. Sie suchen gar nicht nach weiteren, ergänzenden Informationen, die solche Meldungen in Zweifel ziehen.
Selbst wenn Menschen recherchieren, ist es oft schwierig Fakten bzw. korrekte Artikel zu finden. Auch Google bevorzugt in der Suche Texte, die populär sind. Daher werden Fake News, die viral geworden sind, bevorzugt gefunden. Auch in Sozialen Medien wie Facebook ist dem so.
Wissenschaftsfeindlichkeit
Ein weiteres Problem ist offene Wissenschaftsfeindlichkeit. Viele Menschen glauben der Wissenschaft nicht mehr. Genauso, wie man Medien nicht mehr vertraut, vertraut man auch der Wissenschaft nicht mehr, oder ist zumindest skeptisch. Selbst wenn es unabhängige Studien gibt, die eindeutig belegen, dass bestimmte Behauptungen nicht wahr sind, werden eher die Studien und die Wissenschaft in Zweifel gezogen, als die Aussage, die man glauben möchte.
Diese Wissenschaftsfeindlichkeit wird auch in der zunehmenden Zahl der Impfgegner deutlich. Eine Studie in der Steiermark zeigte, dass 82% der erkrankten Kinder deswegen die Masern bekommen hatten, weil ihre Eltern sie aus Überzeugung nicht impfen ließen. Das, obwohl wissenschaftlich erwiesen ist, dass die Impfung ein sehr wirksamer Schutz gegen die Erkrankung ist, und die Krankheit mit einer hohen Durchimpfungsrate sogar ausgerottet werden könnte. Derzeit sinkt die Durchimpfungsrate in Österreich stetig.
Finanzierung von Fake News
Es ist auch deutlich, dass in die Verbreitung von Propaganda enorme Summen investiert werden. Breitbart News in den USA ist ein ultrarechtes Propagandamedium, das von Steve Bannon geleitet wurde, bis er Berater von Donald Trump wurde. Breitbart News ist dafür bekannt, tendenziös zu berichten.
Finanziert wird Breitbart News von Bob Mercer. Bob Mercer ist ein ehemaliger IBM Architekt, der an der Entwicklung von künstlicher Intelligenz für Übersetzungsprogramme maßgeblich beteiligt war. Er wechselte dann zu Renaissance Technologies, die auf Hochfrequenzhandel mit Aktien spezialisiert war, und machte dort mit dem Einsatz seiner KI Technologien ein Vermögen. Im Jahr 2016 finanzierte er politische Kampagnen mit ca. 25 Mio USD, 10 Mio gingen an Breitbart News und ca. 5 Mio an Cambridge Analytica, an denen sowohl Bob Mercer als auch Steve Bannon beteiligt waren.
Der zweite maßgebliche Finanzier von Fake News ist Russland. Dort werden Troll-Fabriken finanziert, die ebenfalls rechten Inhalt verbreiten.
Ziel von sowohl Bannon als auch Russland ist die Spaltung der EU und das Wiedererstehen von Nationalstaaten. Ein geschwächtes Europa würde sowohl den USA (America First) als auch Russland nützen. Aus diesem Grunde war auch Steve Bannon mit Cambridge Analytica intensiv in die Brexit Kampagne involviert.
Finanzierung der Medien
Unabhängige Medien haben ein Finanzierungsproblem. Der Verkauf von Inhalten hat schon früher nur einen geringen Anteil der Einnahmen ausgemacht. Die Medien haben es auch verabsäumt, ein Geschäftsmodell zu etablieren, wie viel Geld für Inhalte der Zeitungen verlangt werden kann. Der Großteil der Redaktionen wurde über den Inseratenvertrieb finanziert. Auf der einen Seite haben Facebook, Google, LinkedIn, XING, etc. Inseratengelder von den klassischen Medien abgezogen. Auf der anderen Seite haben Willhaben, Tinder etc. die Kleinanzeigen in Zeitungen verschwinden lassen. Diese Einnahmen fehlen den Medien natürlich.
Auf der anderen Seite wurden in Österreich in den letzten 10 Jahren die Medienförderungen zusätzlich um ca. 50% gekürzt. Medienförderung gibt es, um unabhängigen Qualitätsjournalismus zu fördern.
Im Gegenzug dazu ist die öffentliche Hand dazu übergegangen, Inserate zu schalten, statt Förderungen zu geben. Die Inserate machen die Medien aber abhängig. Um an Inseratengelder zu kommen oder um diese nicht zu verlieren, wird das Medium bemüht sein, so zu berichten, dass es den Inseratengebern möglichst gefällt. Als kritisch zu bewerten ist jedenfalls, dass durch die FPÖ auch bekannte Fake News Produzenten im eigenen Dunstkreis mit Inseratengeldern bedacht werden (unzensuriert.at, Wochenblick).
Einflussnahme auf Medien
Wir erinnern uns: der frischgebackene Vorsitzende des ORF-Stiftungsrates ermahnte die Redakteure und Redakteurinnen, “brav” zu sein. Wenn gegen die FPÖ oder gegen rechts (in diesem Fall Orban) berichtet wird, wurde Ihnen angedroht, sie würden ihren Job verlieren.
Das Kabinett des Innenministers ließ ausrichten, dass man in Zukunft nur noch “braven” Medien Informationen zukommen lassen will.
Solche Tendenzen sind brandgefährlich. Sie untergraben die Unabhängigkeit des Journalismus.
Content Moderation
Der ORF betreibt wie viele andere Plattform Betreiber eine sogenannte Content Moderation, bei der User generierter Content (Kommentare von Benutzern) moderiert wird. Der ORF erlaubt in seinen Foren beispielsweise nur zum Thema passende Kommentare. Auch die ModeratorInnen der ORF Redaktion gehen gegen Fake News vor und posten beispielsweise Fakten, die Desinformation richtig stellen sollen. In vielen Fällen ist es dann aber auch so, dass die ModeratorInnen angefeindet werden.
Diese Anfeindungen gehen oft so weit, dass die ModeratorInnen Todesdrohungen erhalten. Beim ORF posten die ModeratorInnen daher nicht mehr unter Klarnamen, weil sie über ihre Namen teilweise eindeutig identifizierbar sind. Es gab schon Fälle, in denen die Adressen von ModeratorInnen herausgefunden wurden, und deren Familien ebenfalls bedroht wurden.
Auch Mimikama hat ähnliche Erfahrungen gemacht, bei der auch Andre Wolf Morddrohungen erhalten hat oder selbst durch lancierte Falschmeldungen ins Fadenkreuz von Ermittlungen gekommen ist.
Hate Speech
Hate Speech ist oft auf Hass auf Frauen oder Minderheiten zurückzuführen. In den meisten Fällen soll Hate Speech der Einschüchterung der Opfer dienen. Wenn jemand sich gegen die Verbreitung von Propaganda stellt, dann steht die- oder derjenige natürlich im Konflikt mit den Zielen, die der Verbreiter der Postings verfolgt. Dann wird diese Person oft beschimpft und eingeschüchtert, um sie mundtot zu machen.
Klarnamenpflicht?
In den allermeisten Fällen werden Hasspostings mit dem richtigen Namen veröffentlicht. Die Hassposter fühlen sich sicher und verstecken sich nicht. Auch im Fall von Sigi Maurer war der Hassposter bekannt und kein anonymer Account. Das ist auch beim ORF Forum so.
Das von der Regierung geforderte “digitale Vermummungsverbot” geht daher in eine vollkommen falsche Richtung.
Das Problem ist, dass Hasspostings in vielen Fällen nicht strafrechtlich verfolgbar sind und dem Opfer daher die Handhabe dagegen fehlt. Im Falle von Sigi Maurer ist der skurrile Fall eingetreten, dass Sigi Maurer die Hasspostings veröffentlicht hat, und dafür geklagt wurde. Dem Kläger wurde Recht gegeben, weil nicht eindeutig bewiesen war, dass er selbst das Posting verfasst hatte, obwohl es von seinem Account gesendet wurde. Es könnte ja jemand anderer seinen PC verwendet haben. Wenn wir dieser Logik folgen, dann wäre kein Geschäft mehr im Internet abwickelbar, weil jeder behaupten könnte, sein Account sei von jemand anderem verwendet worden.
Lösungsansätze
Es wird angeregt, schon in der nächsten Umgebung, wie Familie, Freundeskreis und Arbeitsplatz, gegen Falschmeldungen anzukämpfen. Immer, wenn man merkt, das hier Falschmeldungen verbreitet werden, sollte man darauf hinzuweisen.
Die EU geht gegen gezielt lancierte Falschmeldungen vor und setzt sich gegen Propaganda zur Wehr.
Der Verein Mimikama macht das im großen Stil und recherchiert Meldungen, die viral gehen, nach. Es werden dann Stellungnahmen dazu verfasst, die auch wieder verbreitet werden. Das Problem dabei ist, dass die ursprüngliche Meldung immer eine wesentlich größere Verbreitung erreicht, als eine nachfolgende Klarstellung. Dennoch ist diese Arbeit sehr gut und wichtig. Die Benutzer können mithelfen, die Stellungnahmen von Mimikama zu verbreiten, indem sie die Stellungnahmen liken, teilen oder kommentieren.
Professor Wittenbrink hat angeregt, dezentrale Alternativen (wie zum Beispiel Mastodon) zu Social Media Angeboten zu schaffen. Es gibt beispielsweise in Russland (vk.com) und China (RenRen) sehr erfolgreiche alternative soziale Netzwerke. Allerdings war diese Entwicklung nur dort möglich, wo der Zugang zu Facebook eingeschränkt oder verboten wurde. Eine Möglichkeit, anderen Netzwerken die Chance zu geben, gegen Facebook wettbewerbsfähig zu sein, wäre eventuell die Öffnung der Plattformen über verpflichtende API Schnittstellen.
Weiterführende Links
Mimikama
https://www.mimikama.at/
EU Mythbusters
https://twitter.com/EUvsDisinfo
Wie arbeiten rechte Medien im Umfeld der FPÖ
https://www.profil.at/shortlist/oesterreich/unzensuriert-info-direkt-rechte-medien-fpoe-9344397
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Werner Illsinger ist systemischer Coach, Unternehmensberater sowie Lektor an der FH-Kärnten. Sein Herzensanliegen ist es, dass Arbeit Spaß macht.