Die monatliche Abendveranstaltung zu aktuellen Themen der digitalen Transformation. Mit Impulsreferaten und Podiumsdiskussionen schafften wir ein Bewusstsein für Möglichkeiten und Herausforderungen der technologischen Veränderungen. Wo Handlungsbedarf besteht, kommunizieren wir an die Politik.
Thema: Bürger:innen-Beteiligung (Partizipation)
Der zweite DigiTalk dieser vierteiligen Serie beschäftigt sich mit dem Thema Partizipation. Angesichts von politischen Verfehlungen, von Interventionen bei Medien und Verteilen von Geld und Posten an politische Freunde, ist Korruption ein allgegenwärtiges Thema. Einige Geschäftsmodelle der Medien funktionieren nicht mehr, was zu Inseratenkorruption führt. Fake News lassen sich digital leicht an Millionen Menschen verteilen und ruinieren den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Einige dieser Probleme wurden durch die Digitalisierung verursacht und müssen auf politischer Ebene repariert werden.
Dadurch entsteht ein Ohnmachtsgefühl, das zu Demokratieverdrossenheit führt. Die sinkende Wahlbeteiligung und aktuelle Umfragen, wie der SORA-Demokratiemonitor, sprechen eine klare Sprache.
Wie kann dem entgegengewirkt werden? Durch die aktive Einbindung von Menschen in politische Entscheidungsprozesse. Dann wächst auch wieder die Bereitschaft, Ergebnisse zu akzeptieren. An diesem Abend analysieren wir:
- Welche Möglichkeiten und Werkzeuge gibt es?
- Wie kann die Beteiligung an politischen Prozessen gefördert werden?
- Wie kann die Wirksamkeit von Beteiligungsprozessen gewährleistet werden?
Diese Veranstaltung ist Teil einer Serie, die sich mit dem Thema “Zukunft der Demokratie” beschäftigt. Der oberösterreichische Landtag hat sich 2020 bis 2022 in einem Bürger:innen-Beteiligungsprozess im Demokratieforum damit beschäftigt, wie die Demokratie modernisiert und das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik wiederhergestellt werden kann.
Das Demokratieforum hat vier Ebenen erarbeitet, auf denen Neuerungen stattfinden müssen, die wir an je einem Abend beleuchten bzw. beleuchtet haben.
- Wissen und Information (Bildung & Journalismus) für die Bürger:innen, um sich an politischen Prozessen konstruktiv beteiligen zu können. (DigiTalk Dezember 2022)
- Bürger:innenbeteiligung (Partizipation), um sich mit den eigenen Anliegen gehört zu fühlen.
- Lösungsorientierte Politik um rasch und ohne bürokratische Hürden konstruktive Lösungen für Herausforderungen zu erarbeiten.
- Saubere Politik, um das Vertrauen in die gewählte Volksvertretung, in die Politiker:innen nicht zu verlieren bzw. wiederzuerlangen.
Zum Abschluss wollen wir mit einem Barcamp im April 2023 gemeinsam nach Lösungen für die Probleme suchen, die wir in diesen DigiTalks identifiziert haben. Wir suchen für das Barcamp noch Sponsoren für die Verpflegung. Individuelle Spenden nehmen wir gerne auf unserer Webseite entgegen, Großspender und Firmen bitte per E-Mail melden.
Es diskutieren:
Andreas Kovar Geschäftsführer der Politikberatung & Public Affairs Agentur Kovar & Partner. Entwicklung der Diskussionsplattform/e-Partizipationstool “eComitee”. Will damit “diskutieren neu erfinden”. |
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Nina Schnider Langjährige Projekt-, Kommunikations- und Kampagnenmanagerin. Mitbegründerin von “Demokratie21”, “relevant.news” sowie “Österreich entscheidet”. |
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Edward Strasser Gründer und CEO des “Innovation in Politics Institute”, www.innovationinpolitics.eu. Mission des Unternehmens ist es, Menschen und Institutionen in der Politik grenz- und parteiübergreifend in der Entwicklung neuer Arbeitsmethoden zu unterstützen. Arbeitsschwerpunkte sind Technologien für Bürgerbeteiligung, Deliberation und E-Voting www.democracy-technologies.org. |
Moderation
Grußworte des Bundespräsidenten
Der Bundespräsident unterstützt die Veranstaltungsserie und hat uns Grußworte übermittelt, welche am Beginn der Veranstaltung verlesen wurden.
In der ersten Runde der Diskussion beschäftigten wir uns mit der Rolle des Wissens der Bürger:innen und der Bildung, damit sich Menschen am politischen Prozess beteiligen können.
Diskussion
,Was ist gelungene Partizipation?
Gelungene Partizipation ist, wenn ich zu jedem Thema, zu dem ich etwas beitragen will und kann, auch tatsächlich etwas beitragen kann. Menschen sollten die Möglichkeit haben, sich zu Themen, die Ihnen wichtig sind, einzubringen. Nicht allen Menschen sind alle Themen wichtig. Es ist aber wichtig, dass es das Angebot gibt, auch wenn Menschen sich nicht an allen Fragestellungen beteiligen.
Wenn es die Möglichkeit gibt (und Bürger:innen eingeladen werden), dann müssen auch die Informationen, die notwendig sind, um sich am Entscheidungsfindungsprozess zu beteiligen, öffentlich zur Verfügung stehen (siehe Teil 1 unserer Serie – Information & Wissen). Der erste Schritt ist also, dass überhaupt der Wille da ist, dass sich Menschen an der Gestaltung ihrer Umwelt beteiligen sollen.
Partizipation ist, wenn die partizipative Demokratie Macht abgibt.
Alle Beteiligten sollen gehört werden
Es geht darum, die richtigen Tools für die richtigen Zwecke einzusetzen. Soziale Medien sind nicht dazu designt, an Problemen zu arbeiten. Es geht darum, Menschen an einem “Tisch” zusammenzubringen, um gemeinsam lösungsorientiert ein Problem zu diskutieren.
In der griechischen Demokratie ging es darum, dass jede(r) das Recht hat, gehört zu werden. Gute Entscheidungen werden dann getroffen, wenn alle Beteiligten gehört wurden, bevor eine Entscheidung getroffen wird. Hier bietet die Digitalisierung enorme Möglichkeiten.
Wenn Menschen alle Beteiligten hören – auch jene, die andere Sichtweisen vertreten -, verändern sich auch die Meinungen der Zuhörer und Zuhörerinnen. Menschen können Entscheidungen auch besser akzeptieren, wenn ihre Meinung gehört wurde und in die Entscheidungsfindung eingeflossen ist.
Digitale Tools bieten die Möglichkeit, mit sehr vielen Menschen in Austausch zu treten. Bei physischen Treffen hingegen gebe es Grenzen.
Entscheidungen, an denen viele Menschen beteiligt sind, sind nachweislich besser, als wenn 5 Menschen im Hinterzimmer sich eine Lösung ausdenken.
Partizipation ist mehr als Abstimmung
Bevor Entscheidungen getroffen werden und damit überhaupt ein Meinungsbildungsprozess stattfinden kann, ist eine intensive öffentliche Auseinandersetzung mit den Themen erforderlich, die zur Entscheidung anstehen.
Es ist wichtig zu verhindern, dass im Vorfeld einer Entscheidung durch Falschinformation Manipulation passiert – Stichwort Fake News und Trollfabriken.
Wie können Menschen motiviert werden sich zu beteiligen?
Es gibt einige Beispiele, dass die Beteiligungsquoten in die Höhe schnellen, wenn sich zeigt, dass Menschen durch ihre Beteiligung auch etwas bewirken können.
Wenn von vornherein das Gefühl besteht, dass sie nichts zu einer Veränderung beitragen können, werden die Menschen sich auch nicht beteiligen. Es findet hier eine Abwägung über Aufwand (Einsatz der eigenen Zeit) und Wirkung statt. Wenn sich das nicht lohnt, werden Menschen sich nicht beteiligen.
Fraglich ist auch, ob sich alle Betroffenen an Beteiligungsverfahren (z.B. auch Wahlen) beteiligen können. Wenn wir Menschen, die hier wohnen, vom Recht der Beteiligung ausschließen, dann handelt es sich nicht um eine umfassende Möglichkeit der Beteiligung. Es werden also Beteiligte und ihre Meinungen von der Entscheidungsfindung ausgeschlossen. Beispiele: Zweitwohnsitzer in Niederösterreich; in Österreich lebende Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft.
Wenn Beteiligungsverfahren eine große Beteiligung erfahren, dann steigen natürlich auch die Motivation und der Druck auf andere, sich auch zu beteiligen.
Scheinbeteiligung schadet Beteiligungsverfahren enorm.
Was ist Innovation in der Politik?
Auftrund der unterschiedlichen und multiplen Krisen funktionieren die Methoden, die in der Vergangenheit funktioniert haben, nicht mehr. Daher suchen Menschen nach neuen Methoden. Es braucht dafür zwei Dinge: Mut und Innovation.
Wichtig wäre hier von anderen Orten zu lernen, wo bereits erfolgreich Projekte umgesetzt worden sind. Das ist aus unterschiedlichsten Gründen schwierig. Zum einen stehen hier eventuell parteipolitische Interessen entgegen (was, wenn das Vorzeigeprojekt von einer anderen Partei umgesetzt würde?), zum anderen auch sprachliche und kulturelle Barrieren.
Herausforderungen (in Österreich)
Es gibt derzeit Kräfte, die daran arbeiten, die Demokratie auszuhöhlen. Die wichtigste Frage ist, ob wir die Demokratie erhalten können.
Entscheidend dafür, dass Partizipationsprozesse nicht manipuliert werden können, ist die Authentifizierung. Wenn jedoch eine Authentifizierung verlangt wird, sinkt automatisch die Beteiligungsrate.
In einem Partizipationsprojekt im österreichischen Bundesrat gab es Entschließungsanträge an die Bundesregierung. Diese sind Arbeitsaufträge des Gesetzgebers an die Regierung. Die Regierung hat diese Aufträge aber nicht einmal ignoriert. Wenn die Regierung sogar auf den Gesetzgeber pfeift, warum sollte sie sich um die Bürger:innen kümmern?
Für mehr Partizipation brauchen wir einen kulturellen Wandel. Hier befindet sich Österreich noch ganz am Anfang. Demokratie ist etwas, das gelernt werden muss: daher ist es förderlich, wenn Partizipation bereits in der Schule beginnt und Schüler:innen auch bei der Gestaltung der Schule mitreden können.
Ein Problem in Österreich ist, dass der Nationalrat zu 100% von der Regierung kontrolliert wird und kein “selbständiges eigenes Leben” hat.
Der Klimarat war eine vertane Chance für Österreich. Es war ein Scheinpartizipationsprozess. Die Zusammensetzung der Personen war nicht optimal, die Ergebnisse des Klimarates waren nicht bindend und die Ergebnisse verschwinden wieder in der Schublade. Das Gute daran ist jedoch, dass ein derartiger Prozess jedenfalls stattgefunden hat.
Scheinpartizipation führt zu einem Vertrauensverlust. Das Vertrauen ist viel schwerer wieder herzustellen, als wenn man von Null anfängt.
Warum beteiligen sich Menschen nicht innerhalb ihrer vorhandenen Möglichkeiten? Beispiel: Menschen könnten sich am Vereinsleben beteiligen. Die meisten Vereine werden von wenigen Menschen getragen, die die Arbeit tun, und Beteiligung findet selten statt. Auch könnten sich Menschen in Schulen oder auch in politischen Parteien engagieren. Es mangelt am Engagement der Menschen. Es braucht mehr Engagement der Menschen – diese müssen Beteiligung einfordern und sich auch wehren, wenn man sie ihnen verwehrt.
In Österreich ist die Technologie-Skepsis sehr ausgeprägt. Dass wir z.B. in Österreich uns fürchten, das Mobiltelefon zu verwenden, um sich an Beteiligungsprozessen zu beteiligen, ist nicht nachzuvollziehen. In anderen Ländern funktioniert das schon sehr gut.
0Beispiele gelungener Partizipation
Man muss nicht immer alles selbst erfinden. Wichtig ist zu zeigen, dass Dinge schon woanders funktionieren, und diese funktionierenden Dinge zu übernehmen.
Die Stadt Paris hat ein Budget zur Verfügung gestellt, das von Bürger:innen für Projekte, die ihnen wichtig sind, eingesetzt werden können. Die Bürger:innen entscheiden also allein darüber, wie dieses Budget (45 EUR pro Bürger:in – insgesamt mehrere 100 Mio EUR) eingesetzt werden soll. Im 5. Wiener Gemeindebezirk wurde etwas ganz ähnliches gemacht.
In Frankreich wurde bereits ein Gesetz alleine durch Bürger:innen gemeinsam partizipativ geschrieben.
In der Ukraine gibt es eine Beteiligungsplattform. Auf dieser haben sich 18 Mio Menschen freiwillig registriert. Das ist verwunderlich, denn gerade im Krieg würde man meinen, dass die Politiker:innen zentral entscheiden, ohne die Bürger:innen einzubeziehen. Die Regierung Selenskij hat genau das Gegenteil gemacht und die Demokratie gestärkt.
Nächste Schritte
Die nächsten Veranstaltungen dieser Serie sind:
- DigiTalk – Lösungsorientierte Politik (22.02.2023)
- DigiTalk – Saubere Politik (29.03.2023)
- Barcamp – Zukunft der Demokratie (29.04.2023)
- DigiTalk – Zukunft der Demokratie – Diskussion mit der Politik (05/2023)
Aufruf zur Unterstützung
Wenn Sie finden, dass das, was wir hier tun, wichtig ist, dann unterstützen Sie uns bitte. Es gibt dafür drei Möglichkeiten:
- Werden Sie Mitglied der Digital Society, wenn Sie das noch nicht sind
- Spenden Sie für unser BarCamp im April
- Arbeiten Sie bei uns mit – senden Sie uns eine E-Mail an info@digisociety.ngo.
Aufzeichnung der Veranstaltung
Unsere Partner
Werner Illsinger
Gegenwärtig übt er Tätigkeiten als Executive Coach, Trainer und Unternehmensberater aus. Darüber hinaus ist er als Dozent für Digital Transformation Management an der Carinthia University for Applied Sciences tätig.
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