DigiTalk

Die monatliche Abendveranstaltung zu aktuellen Themen der digitalen Transformation. Mit Impulsreferaten und Podiumsdiskussionen schafften wir ein Bewusstsein für Möglichkeiten und Herausforderungen der technologischen Veränderungen. Wo Handlungsbedarf besteht, kommunizieren wir an die Politik.

Moderner Staat

Thema

Der Zustand der Demokratie in Österreich ist besorgniserregend. Laut dem SORA Demokratie Monitor denken nur noch rund 30% der Menschen in Österreich, dass das politische System funktioniert. Für viele Menschen hält das politische System seine Versprechen nicht mehr und es sieht zunehmend so aus, als ob das Land ein Selbstbedienungsladen wäre (O-Ton aus der Studie).  Die gute Nachricht ist jedoch, dass die überwiegende Mehrheit (knappe 90%) die Demokratie als die beste Staatsform sieht, auch wenn sie Probleme mit sich bringt.

Die digitale Transformation hat einen großen Anteil an neuen Herausforderungen, die auf die Demokratie zukommen, wie zum Beispiel die Medienfinanzierung, die nicht mehr funktioniert und Inseratenkorruption begünstigt, Verbreitung von Fake News begünstigt, da jeder Mensch in der Lage ist, über das Internet ein großes Publikum zu erreichen. Neue digitale Tools bringen aber auch viele Chancen, wie die allgemeine Verfügbarkeit von Wissen, leichtere Möglichkeit für Beteiligung der Menschen, für vereinfachte Verwaltungsabläufe und für mehr Transparenz.

Der erste DigiTalk der Serie zur Zukunft der Demokratie beschäftigte sich mit dem Thema Wissen & Information – also mit Bildung und Medien und deren Rolle für die Demokratie.

Diskutant:innen

 

Foto: Privat

Dr. Hakan Gürses
ist wissenschaftlicher Leiter der Österreichischen Gesellschaft für Politische Bildung. Studium der Philosophie an der Universität Wien. 1997-2011 Lehrbeauftragter und Gastprofessor für Philosophie an der Uni Wien sowie weitere Lehraufträge in Graz, Innsbruck und Krems. 1993-2008 Chefredakteur der Zeitschrift „Stimme von und für Minderheiten“ (dafür Auszeichnung mit dem Claus-Gatterer-Anerkennungspreis für engagierten Journalismus).

Foto: Markus Wache

 

Fritz Jergitsch
gründete 2013 das Satiremagazin „Die Tagespresse“. Das Projekt wurde 2015 mit dem Österreichischem Kabarettpreis (Sonderpreis) ausgezeichnet. 2017 erhielt er den Titel „Journalist des Jahres“ in der Kategorie Unterhaltung verliehen. Neben seiner Tätigkeit für die Tagespresse arbeitet er für andere Medien als freier Autor an diversen Produktionen oder Projekten mit (ORF, Puls 4, Falter, Rabenhof Theater). Jergitsch studierte in Utrecht Volkswirtschaft.

Foto: Luiza Puiu

Dr. Daniela Kraus
ist seit Jänner 2019 Generalsekretärin des Presseclub Concordia. Kraus ist promovierte Historikerin und arbeitete in Journalismus, Medienberatung, praxisorientierter Medienforschung und -bildung. Von 2011-2018 gründete und leitete sie die Weiterbildungseinrichtung fjum_forum journalismus und medien, von 2005-2011 war sie Geschäftsführerin und Gründungsgesellschafterin des außeruniversitären Forschungsinstituts Medienhaus Wien. Ihr Interessens- und Arbeitsschwerpunkt liegt auf der Veränderung des Journalismus durch technologische und gesellschaftliche Innovationen. Sie hat zahlreiche Studien und Forschungsprojekte über Journalismus und Medien konzipiert und durchgeführt, unter anderem ist sie Mitherausgeberin der Buchreihe Journalismus-Report, und hat Curricula für Journalismusausbildungen entwickelt. Seit 2021 ist sie Policy Fellow am Centre for Science and Policy, University of Cambridge.

Foto: Privat

Flora Schmudermayer
ist Bundesschulsprecherin und somit Vertreterin aller 1.1 Millionen Schüler_innen Österreichs. Die Maturantin ist 18 Jahre alt und besucht derzeit die HBLFA für Gartenbau in Schönbrunn. Die Bundesschüler_innenvertretung besteht aus 29 Personen, die sich dieses Jahr die fünf Schwerpunkte Wirtschafts- und Finanzbildung, Bildung international, Berufsbildung, (Fach) Englisch an Berufsschulen und Demokratiebildung vorgenommen haben. Wir leben in einer vernetzten, sich immer schneller drehenden Welt, umso wichtiger ist es, dass Schüler_innen in der Schule das Werkzeug für eben diese mit auf den Weg bekommen.
 

Foto: ORF/Pichlkostner

Dr. Klaus Unterberger
ist Leiter des Public Value-Kompetenzzentrums des ORF. Er leitet nach journalistischer und wissenschaftlicher Arbeit (Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien; im ORF u.a. „Ohne Maulkorb“, „Argumente“, „Volksanwalt“, „Bürgeranwalt“) seit 2007 das Public Value-Kompetenzzentrum der ORF Generaldirektion. Er verantwortet zahlreiche Maßnahmen der ORF-Qualitätssicherung sowie Belange der externen und internen Kommunikation zum öffentlich-rechtlichen Funktionsauftrag. Er leitet und koordiniert internationale Projekte in enger Kooperation mit der Europäischen Broadcasting Corporation/EBU). Er gestaltet TV-Dokumentationen und ist Mitglied des ORF- Ethikrats.

 

Grußworte des Bundespräsidenten

Der Bundespräsident unterstützt die Veranstaltungsserie und hat uns Grußworte übermittelt, welche am Beginn der Veranstaltung verlesen wurden.

 

In der ersten Runde der Diskussion beschäftigten wir uns mit der Rolle des Wissens die Bürger:innen und Bildung damit sich Menschen am politischen Prozess beteiligen können.

 

Diskussion

Demokratie

Als erstes wird die Frage aufgegriffen, wann das System der Demokratie jemals so perfekt war, dass man damit zufrieden sein konnte. Die Demokratie muss sich immer selbst in Frage stellen und Menschen müssen darüber diskutieren, wie neue Herausforderungen bewältigt werden können. Wir brauchen also Partizipation aller Bevölkerungsschichten (siehe Teil 2 dieser Veranstaltungsserie mit dem Thema Bürger:innenbeteiligung). Die Basis für die Demokratie ist vor allem Verständnis für und Akzeptanz von gemeinsamen Werten, nach denen wir leben wollen. 

Willen zur Beteiligung

Wenn wir ein System haben wollen, an dem sich die Leute beteiligen wollen, dann soll es eben auch kein System sein, in dem Politiker:innen sich bereichern (können) (siehe Teil 4 dieser Veranstaltungsserie mit dem Thema saubere Politik).

Die größte Herausforderung im politischen System sind multiple Krisen, die wir durchlebt haben (zuerst Einschränkungen der Freiheitsrechte durch die Pandemie, dann verschiedenste politische Skandale, die der Politik die Glaubwürdigkeit geraubt haben, und nun 10% Inflation – was bedeutet, dass alle Menschen in Österreich 10% ärmer werden). Es bedarf daher vor allem einer Politik, die gewillt ist, die aktuellen Sorgen der Menschen ernst zu nehmen und an deren Lösung auch zu arbeiten (siehe Teil 3 dieser Veranstaltungsserie mit dem Thema lösungsorientierte Politik).

Um am demokratischen Prozess teilzunehmen ist es notwendig, möglichst alle Menschen an diesem Prozess zu beteiligen und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich eine Meinung zu bilden. Es gibt viele Menschen, die sich aus dem politischen Leben zurückziehen (neues Biedermeier). “Demokratie ist eine Zumutung”, man muss für seine Standpunkte einstehen und für seine Rechte kämpfen.

Es gibt in Österreich leider aber auch wenige Möglichkeiten sich am politischen Diskurs zu beteiligen. Mehr Möglichkeiten zur Beteiligung würde das Vertrauen in das politische System stärken. 

Welches Wissen benötigen Menschen, um sich am politischen Prozess beteiligen zu können?

Es gibt sehr viele unterschiedliche Arten von Wissen und es stellt sich hier auch die Frage, wie Wissen an die unterschiedlichen Bereiche der Gesellschaft vermittelt wird.

Wir brauchen eine gute Allgemeinbildung, Medienkompetenz, Wissen über das politische System und auch über unser Rechtssystem.

Allgemeinbildung

Der größte Vorteil des politischen Systems ist, dass alle mitentscheiden dürfen. Das ist aber auch gleichzeitig der größte Nachteil, denn das bedeutet, dass Menschen bei Dingen mitentscheiden dürfen/müssen, von denen sie vielleicht wenig Ahnung haben. Die Grundvoraussetzung ist daher breite Allgemeinbildung, damit man grundsätzlich versteht, wie viele Dinge funktionieren und zusammenhängen. Hier spielen Qualitätsmedien eine große Rolle. Solchen Qualitätskriterien genügen Informationen, die auf Sozialen Medien die Augen der Leser:innen erreichen, nicht: hier optimiert ein Algorithmus, was Lerser:innen vermutlich gerne lesen würden, um möglichst viele Menschen zu erreichen (Sensation geht vor Information und produziert Klicks und Klicks sind die Grundlage für Werbeeinnahmen).

Freiheit von Wissen

Open Source ist auch im übertragenen Sinne eine Möglichkeit, um Wissen zu teilen. Als Beispiel kann hier Wikipedia genannt werden. Natürlich ist es möglich, dass Inhalte auf Wikipedia geteilt werden, die nicht korrekt sind; es gibt aber genügend Menschen, die als Korrektiv wirken (können).

Das Internet hat hier sehr viel dahingehend bewegt, dass Information und Wissen frei und für alle verfügbar ist. 

Österreich hat das Problem, dass es als einziges europäisches Land (außer Weißrussland) noch immer ein Amtsgeheimnis hat und kein Informationsfreiheitsgesetz. Das behindert die Arbeit des Journalismus und steht einer offenen und transparenten Gesellschaft entgegen. 

Medien (tagesaktuelle Entwicklungen)

Medien berichten über tagesaktuelle Entwicklungen darüber, was auf der Welt und in Österreich passiert. Auch diese Informationen sind notwendig, um sich am politischen Prozess beteiligen zu können. 

Spannend ist, wie viel Macht und Einfluss (Gatekeeper-Funktion) traditionelle Medien durch die Digitalisierung verloren haben.

Das Wichtigste ist, dass seriöser Journalismus sich selbst erklärt und klar macht, wodurch er sich von anderen Texten/Informationen unterscheidet.

Medien sollen – über alle Bevölkerungsschichten (jung/alt, arm/reich, Minderheiten, …) hinweg – über deren Sorgen und Herausforderungen berichten und die Betroffenen zu Wort kommen lassen, damit die Leser:innen sich ein umfassendes Bild machen können.

Den Medien kommt hier die Rolle zu, Dinge für die breite Bevölkerung einfach und verständlich zu erklären. Es ist schwierig, Menschen zu motivieren, sich an einer Diskussion über Dinge zu beteiligen, die sie nicht oder zu wenig verstehen, die ihnen zu komplex erscheinen.

Es wäre wichtig einen stärkeren Fokus auf Ethik zu legen. Wenn das nicht gelingt, werden Medien ihre Glaubwürdigkeit und auch ihre wirtschaftliche Grundlage verlieren. 

Information muss niederschwellig und unterhaltsam sein. Das ist auch der Grund, warum Jugendliche sich vorwiegend bis ausschließlich in den Sozialen Medien (TikTok / Instagram / YouTube) informieren. 

Dass das Leben von Journalist:innen auch in Mitteleuropa zum Teil schon wieder bedroht ist, stellt für diese eine erhebliche Herausforderung und Gefährdung dar. In Österreich ist dies zwar nicht der Fall, aktuelle Medienberichte zeigen aber, dass auch hier Journalist:innen unter Druck gesetzt wurden. 

Qualitätsjournalismus kostet Geld. Die Frage ist, wie Qualitätsjournalismus in der aktuellen Zeit finanziert und dessen Unabhängigkeit gleichzeitig gewahrt werden kann. 

Glaubwürdigkeit und Medienkompetenz

Bei Medienberichten geht es vor allem um die Glaubwürdigkeit. Mit neuen Technologien kann jede(r) viele Menschen erreichen. Es reicht daher nicht, die Qualität nur der traditioneller Medien zu kontrollieren.

Um Informationen aus unterschiedlichen Quellen einschätzen zu können, ist Medienkompetenz eine wichtige Voraussetzung. Es geht darum, Informationen und Quellen zu hinterfragen. um die Glaubwürdigkeit einschätzen zu können.

Hierzu gehören auch die Fragen, wie die Unabhängigkeit des ORF sicher gestellt wird (Stichwort: Stiftungsrad/Publikumsrat), und wie der Staat Einfluss auf die und durch die Medienfinanzierung nimmt.

 Politische Bildung

Es gibt in Österreich kein flächendeckendes Pflichtfach “Politische Bildung”.

In der Erwachsenenbildung gibt es viel zu wenig Ressourcen. Hier mangelt es am Willen und an den Mitteln für mehr politische Bildung.

Medien haben gerade in der Erwachsenenbildung die Möglichkeit, breite Bevölkerungsschichten zu erreichen und das politische System einfach verständlich zu erklären (Beispiel: Der Professor und der Wolf  von FM4)

Medienförderung

Die aktuelle Medienförderung betoniert die bestehende Medienlandschaft. Sie verhindert Innovation. Wenn mehr Partizipation gewünscht wird, müsste die praktizierte Förderung das auch bewirken; derzeit wird leider das Versagen bestehender Medien durch Fördergelder aufgefangen. Der Eintritt von neuen (auch digitalen) Medien wird vom derzeitigen System extrem erschwert. Es braucht mehr Innovation in diesem Bereich.

Die Rolle neuer Technologien

Digitale Technologien bringen viele neue Möglichkeiten für die Demokratie – wie z.B. Abstimmungen mittels Computer und Mitbestimmung / Partizipation an Prozessen.

Ein Beispiel dafür, dass solche Möglichkeiten nicht genutzt werden, ist der Abstimmungscomputer im Parlament, der zwar eingebaut ist, dessen Benutzung aber von den Parteien großteils abgelehnt wird, weil man sich Sorge um den Clubzwang macht.

Transparenz und Regularik

Bei allen Sozialen Medien wäre die Transparenz der Funktionsweise der Algorithmen, die auf die Meinungsbildung Einfluss nehmen, dringend erforderlich. 

Die Nutzung von Sozialen Medien kann ein Risiko für die Demokratie darstellen. TikTok etwa wird vom autokratischen chinesischen Staat kontrolliert und von unseren Jugendlichen bevorzugt zur Informationsbeschaffung genutzt. 

Es braucht Regeln für “ein neues Internet” und Regeln für die Nutzung dieser Technologien und Vorgaben dafür, was erlaubt sein soll und was nicht. Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch gesellschaftlich erwünscht.  

Wie geht es weiter?

Die nächsten Schritte unserer Veranstaltungsserie sind:

  • DigiTalk – Bürger:innenbeteiligung / Partizipation (25.1.)
  • DigiTalk – Lösungsorientierte Politik (22.2.)
  • DigiTalk – Saubere Politik (29.3.)
  • Barcamp – Zukunft der Demokratie (29.4.)
  • DigiTalk – Zukunft der Demokratie – Diskussion mit der Politik (05/2023)

Aufzeichnung der Veranstaltung

 

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Werner Illsinger

Präsident bei Digital Society
Werner Illsinger hat nach der Absolvierung HTL Nachrichtentechnik am TGM einen der ersten Internet Provider in Österreich aufgebaut, er hat langjährige Erfahrung im Vertrieb und im internationalem Management bei Microsoft sowie als Geschäftsführer der Raiffeisen Informatik Consulting. Er ist Strategieberater und Lektor für Digital Transformation Management an der Carinthia University for Applied Sciences.
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