Bill Gates hat 1994 einen Satz gesagt, den ihm die Banken sehr übel nahmen “Banking is necessary, banks are not”. Was er damals damit meinte ist, dass wir zwar Bankgeschäfte benötigen, aber keine Banken im Sinne von Filialen. Damals war das Bankgeschäft noch ein Schlaraffenland. An jeder Häuserecke war eine Bankfiliale, die meisten sehr schön mit Marmor dekoriert und bestens ausgestattet. Wir haben unsere Überweisungen noch mit Zahlscheinen am Schalter erledigt. Wenn wir Geld haben wollten, bekamen wir das noch größtenteils beim Bankbeamten. Die Welt war für die Banken noch in Ordnung …
Heute – im Jahr 2021 – also 27 Jahre später wissen wir, was Bill Gates damals gemeint hatte. Von vielen Banken muss man Filialen mittlerweile suchen. Und wenn man eine findet, dann gibt es kaum noch Bankmitarbeiter in den Filialen und wenn dann Berater für höherpreisige Bankprodukte. Den/die Kassierer*in müssen wir mit der Lupe suchen. Kaum jemand behebt Bargeld in der Bank – das wird fast nur mehr über Foyerautomaten oder Bankomaten erledigt. Und Überweisungen passieren größtenteils über Telebanking. Die älteren Menschen, die keinen Computer zu Hause haben, müssen das über mühsame Automaten in der Filiale erledigen. Die Anzahl der Bankfilialen hat sich drastisch reduziert. Die Anzahl der Bankmitarbeiter*innen ebenso.
Was hat das nun aber mit dem Handel zu tun? Ich wage eine Prognose: Es wird dem stationären Handel ebenso ergehen. Und die Corona Krise hat den Anfang dazu eingeläutet. “Shopping is necessary, shops are not”. Warum ich das glaube? Weil es mittlerweile bequemer ist online einzukaufen. Die Auswahl ist größer, die Lieferfähigkeit ist größer. Online findet man viele Waren, die man am nächsten Tag im Haus hat, der stationäre Handel bestellt viele Produkte auch erst, wenn die Kundschaft bestellt. Das Mitnehmen der Ware fällt zunehmend weg. Die Beratung war und ist in vielen Geschäften ohnehin nicht mehr so berühmt gewesen. Und sie wird durch die Kritiken der Kaufenden ersetzt. Man sieht sich die schlechten Bewertungen an und weiß sofort, ob das Produkt qualitativ und für den eigenen Einsatzzwecke passen könnte.
Die österreichischen Online-Umsätze sind laut einer Studie des Handelsverbandes mit der KMU Austria um +20% auf 9,6 Milliarden Euro gestiegen. Online Handel macht daher noch immer einen relativ kleinen Teil (ca. 13%) an den Gesamtumsätzen aus, ist jedoch stark steigend. Im Jahr 2020 ist laut einer Studie des Handelsverbandes corona-krisenbedingt der Jahresumsatz um rund 2,2 Mrd. auf 74,5 Mrd EURO eingebrochen. Das Weihnachtsgeschäft ist um rund 10% geschrumpft. Die Zahl der leer stehenden Geschäfte in Wien steigt seit 15 Jahren stetig. Das ist also kein nur von Corona verursachtes Problem. Es wurde durch Corona nur beschleunigt.
Meine Mutter hat beispielsweise einen Ersatz für ihren Kühlschrank im Wochenendhaus gesucht. Es musste ein spezieller sein, damit er wieder in die bestehenden Küchenmöbel eingebaut werden kann. Der Elektronik-Markt ihres Vertrauens in der Shopping City hatte eine Lieferzeit für diesen Kühlschrank von 90 Tagen. Also 90 Tage ohne Kühlschrank ist eher unzumutbar, daher eine schnelle Suche im Internet. Ein Online-Händler in der Steiermark hatte das gute Stück lagernd und es war zwei Tage später da. Um den Transport vom Händler zum Haus musste sie sich dabei auch nicht kümmern.
Auch bei Kleidungsstücken funktioniert das mittlerweile ganz gut. Das Problem für die Händler ist hier nur eine hohe Retourenquote – weil die Konsument*innen mehrere Größen bestellen und die nicht passenden zurückschicken. Durch die Einsparungen an teuren Geschäftsflächen und Verkäufer*innen geht sich das aber preislich noch immer aus. Sogar mit der Möglichkeit, kostenlos zurückzusenden.
Die Konsument*innen machen sich viele Dinge jetzt selbst. Genauso wie die Bankkund*innen. Das zahlt sich für viele aber noch immer aus. Man erspart sich stundenlang von einem Geschäft zum anderen zu fahren, bis man das gefunden hat, was man sucht. Gleichzeitig kann man online auch Preise vergleichen.
Meine Voraussage ist daher, dass es der stationäre Handel in den nächsten Jahren sehr schwer haben wird. Die Schrumpfung wird weiter gehen. Das Problem für uns in Österreich ist, dass 50% des Online-Handels nicht mehr von österreichischen Online-Händlern abgewickelt wird, sondern ins Ausland abfließt. Das heißt natürlich auch, dass nicht nur die Handelsangestellt*innen weniger werden, sondern auch die Logistik-Mitarbeiter*innen in den Lagern und die IT Fachkräfte. Diese sind in Zukunft im Ausland angestellt. Wir werden also neben vielen leerstehenden Geschäftslokalen auch viel weniger Jobs im Handel allgemein in Österreich haben. Zusätzlich kommt es (wie auch im Bankenbereich) zu einer Konzentration. Es werden nur wenige Große übrig bleiben, weil es für kleinere Unternehmen einfach schwierig ist, mit den Großen mitzuhalten.
Wir müssen uns also überlegen was hier getan werden kann – und ob man diesen Entwicklungen entgegensteuern kann. Das “Kaufhaus Österreich” war zwar gut gemeint, aber nur eine Verschwendung von Steuermitteln. Österreichische Unternehmen müssen sich überlegen, wie ihr Geschäftsmodell in Zukunft aussehen kann und welchen Mehrwert sie ihren Konsument*innen bieten können.
Mit diesem Thema beschäftigt sich unsere Digitalk-Serie im Herbst 2021. Seien sie dabei, bringen Sie Ihre Erfahrungen, Sorgen und Ängste und Ihre Expertise ein.
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Werner Illsinger ist systemischer Coach, Unternehmensberater sowie Lektor an der FH-Kärnten. Sein Herzensanliegen ist es, dass Arbeit Spaß macht.