Nach einer Einführung zum Thema, wurden wir im ersten DigiTalk zu New Work über den Begriff und den damit verbundenen Kompetenzgewinn im Zuge der Coronakrise aufgeklärt. Der zweite DigiTalk widmete sich den gesellschaftlichen Herausforderungen.
Alexander Sollak Vorsitzender der Personalvertretung Telekom Austria AG Alexander Sollak (42) studierte Bank- und Finanzwirtschaft in Wien und arbeitet sein 2004 im A1 Telekom Austria Konzern. Seit 2010 ist er Vorsitzender der Personalvertretung in der Telekom Austria AG und Mitglied des Konzernaufsichtsrats. Als Generalsekretär des Europäischen Betriebsrats koordiniert Sollak seit 2015 die länderübergreifende Arbeitnehmervertretungsplattform im A1 Telekom Austria Konzern. Als parteifreier Gewerkschafter ist er Mitglied des ÖGB-Bundesvorstands und Vortragender an der Betriebsräteakademie der Arbeiterkammer Wien. (Foto: privat) |
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Julia Schitter Stv. Bereichtsleiterin Arbeit, Soziales & Gesundheit, Arbeitsrecht Industriellenvereinigung Julia Schitter arbeitet seit September 2012 als Expertin für Arbeitsrecht bei der Industriellenvereinigung, seit November 2020 ist sie dort stellvertretende Bereichsleiterin der Abteilung Arbeit, Soziales und Gesundheit. Davor war sie Universitätsassistentin am Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Wien, im Bereich Global Employer Services bei Deloitte tätig und als externe Lektorin am Institut für Österreichisches und Europäisches Arbeitsrecht und Sozialrecht der WU Wien aktiv. Zudem ist sie Autorin diverser arbeitsrechtlicher Publikationen. (Foto: Industriellenvereinigung) |
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Rolf Gleißner Leiter der Abteilung Sozialpolitik und Gesundheit Wirtschaftskammer Österreich Rolf Gleißner ist seit 2019 Leiter der Abteilung für Sozialpolitik und Gesundheit in der Wirtschaftskammer Österreich. Seit 2007 war Rolf Gleißner in der Abteilung für Sozialpolitik tätig – mit den Tätigkeitsschwerpunkten Arbeitsrecht, Arbeitsmarkt, Kollektivverträge und Sozialpolitik. Davor war hatte er diverse Funktionen in der AUVA, PVA (Verwaltungsrat) und im AMS (Verwaltungsrat) inne. Studium der Rechts- und Politikwissenschaft. (Foto: Nadine Studeny) |
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Christian Korunka Leiter des Arbeitsbereichs „Arbeits- und Organisationspsychologie“ an der Fakultät für Psychologie der Universität Wien Christian Korunka ist Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Wien. Seine Forschungsinteressen sind flexible Arbeit, Home Office, neue Arbeitsformen, Qualität des Arbeitslebens und die Auswirkungen der COVID-Krise auf die Arbeitswelt. Er ist Autor von mehr als 90 Forschungsartikeln und 80 Buchkapiteln. Weitere Informationen: ao-psy.univie.ac.at (Foto: Martin Kernic) |
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Stefan Kühteubl Partner – Head of Labour & Employment Schönherr Rechtsanwälte Stefan Kühteubl ist Partner bei Schönherr und leitet die Arbeitsrechts-Praxis der Kanzlei. Er ist sowohl auf gerichtliche als auch auf außergerichtliche Arbeitsrechtsangelegenheiten spezialisiert. Dazu gehören neben der Beratung von Unternehmen bei Restrukturierungen und Transaktionen, auch die Beratung im Zusammenhang mit internationalem Arbeitsrecht und öffentlichem Dienstrecht, sowie die Vertretung von Vorstandmitgliedern. Stefan Kühteubl zählt dank seiner Erfahrung und Expertise zu den führenden Arbeitsrechtsspezialisten in Österreich und gilt daher auch als gefragter Vortragender bei Konferenzen und Seminaren. Technische sowie organisatorische Machbarkeit und legale Machbarkeit sind oft zwei verschiedene Dinge. Rechtliche Vorgaben hinken in manchen Bereichen den faktischen Entwicklungen hinterher. |
New Work, dieses Trendwort wurde im Zuge der Coronakrise oft von den Medien aufgegriffen. Diese neue Art des Arbeitens gibt es jedoch nicht erst seit Corona und wird uns auch zukünftig beschäftigen, darin sind sich die PodiumsteilnehmerInnen einig. Die Herausforderung bei der Gestaltung der Arbeit der Zukunft besteht darin, die rechtlichen Rahmenbedingungen an die neuen Arbeitsbedingungen anzupassen.
New Work ist dabei viel mehr als nur Homeoffice und der Einsatz digitaler Technologien im Arbeitsalltag. Der Begriff geht auf den Sozialphilosophen Prof. Dr. Frithjof Bergmann zurück und steht für eine vollkommen neue Arbeitskultur: So soll endlich der Mensch mit seinen Wünschen und Bedürfnissen im Zentrum stehen. Dies erfordert dabei ein neues Mindset, eine neue Führungs- und Unternehmenskultur.
Vision von New Work
Schitter (Industriellenvereinigung) plädiert für eine Arbeitswelt, bei welcher gemeinsames Arbeiten für alle erleichtert und verbessert werden soll. Aus Sicht der Industrie werde New Work sehr breit gesehen: Arbeitsprozesse werden beschleunigt, effizienter, transparenter und zeitunabhängiger.
Gleißner (WKO) verbindet mit New Work eine Flexibilisierung der Arbeitswelt und mit zunehmend verschwindenden Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben. Er weist darauf hin, dass die neue Arbeitswelt eine Art Geben und Nehmen auf Seiten der ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen sei – vor diesem Wandel müsse man sich nicht fürchten.
Sollak (A1) macht darauf aufmerksam, dass der Mensch in der Regel mit Angst und Unsicherheit auf Veränderungen reagiert – diesen Verunsicherungen müsse man psychologisch entsprechend begegnen. Er plädiert dafür, zukünftig schneller auf die sich verändernden Umstände zu reagieren. Dabei spielten die Kompromissbereitschaft und das Zusammenwirken aller Beteiligten eine zentrale Rolle. Seine persönliche Vision ist, die digitale Transformation auf breiter Basis mitzugestalten.
Kühteubl (Schönherr Rechtsanwälte) erwähnt, dass die Medienerwartungen beim Homeoffice-Gesetz sehr hoch waren, diese konnten jedoch nicht erfüllt werden.
Einwurf aus dem Publikum: Vielleicht haben Menschen auch noch mehr Erwartungen als beispielsweise Flexibilisierung der Arbeitszeit und des Arbeitsorts, Selbstbestimmungsrahmen für MitarbeiterInnen, etc. Am Podium und im Publikum herrscht Einigkeit: Das Ergebnis, das am Tisch liegt, hält den Erwartungen nicht Stand.
Auswirkungen von New Work
Auch Korunka (Universität Wien) bestätigt, dass das aktuelle Gesetz der Realität hinterherhinkt. New Work etabliert sich aufgrund der Breite des Themas viel langsamer als wir glauben. Nur die Medien stellen einen schnellen Fortschritt dar.
Dabei bietet New Work verschiedenste Vor- und Nachteile: So sei Telearbeit beispielsweise ökologischer, führe jedoch zu höherer psychischer Belastung. Mehr Autonomie im Homeoffice führe demnach paradoxerweise zu weniger Autonomie (Autonomieparadox).
Schitter hebt die geringe Regulierung beim Homeoffice hervor, und die Gestaltungsfreiheit auf betrieblicher Ebene. Die Arbeitswelt sei bunt und divers, es brauche gewisse Mindestanforderungen und Rahmenbedingungen, jedoch könne ein Gesetz nicht alle Phänomene der Berufswelt abbilden.
Sollak plädiert für gesetzlich verankerte Regeln – es sollte nicht jegliche Verantwortung auf die Betriebe geschoben werden. Das Modell der Zukunft stellen für ihn hybride Arbeitsformen dar. Die Vorteile liegen bei den Beschäftigten sowie den Unternehmen.
ArbeitnehmerInnen erwarten sich jedenfalls, dass das Homeoffice zumindest tageweise bleibt. Durch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei ein Job mit teilweisem Homeoffice attraktiver.
Herausforderungen von New Work
Korunka macht auf die Herausforderungen aus Sicht der Psychologie aufmerksam. New Work setze Vertrauensarbeit voraus, welche in den Betrieben fast nicht geschehe. Wir leben in einer “Kontrollwelt” – plötzlich aber sollen Führungskräfte ihren Mitarbeitenden im Homeoffice vertrauen. Damit tun sich viele schwer. Zudem gelinge die Abgrenzung von Arbeit und Privatleben nur bei gutem Selbstmanagement. Dies führe zu einer weiteren Polarisierung in der Arbeitswelt: Diejenigen, die sich selbst gut managen können und jene, denen dies nicht so gut gelingt. Eine weitere Herausforderung stellen unsere Bedürfnisse dar. Viele ArbeitnehmerInnen, die im Homeoffice arbeiten könnten, bevorzugen das Büro als Arbeitsplatz. Diese physischen Grenzen entsprächen in gewisser Weise auch unseren Bedürfnissen (wir wollen im Büro arbeiten, um uns abzugrenzen).
Kühteubl erwähnt, dass gerade in der Pandemie die Gefahr bestehe, mehr zu arbeiten, weil man sonst nichts zu tun habe. Auch Korunka betont, dass während der Coronakrise die Arbeitsintensivierung zugenommen habe und soziale Bedürfnisse durch das Homeoffice nicht erfüllt werden können.
Sollak kritisiert, dass bei der New Work-Debatte der Datenschutz nicht vorkomme. Zudem brauche es eine Änderung des Mindsets und der Kommunikation auf Seiten der Führung, damit New Work gelingen könne. Auch Kühteubl meint, dass ArbeitgeberInnen wie auch ArbeitnehmerInnen flexibler werden sollen. Eine 4 Tage-Woche wäre beispielsweise auch leicht im Arbeitsrecht zu verankern.
Korunka verweist auf die vier Grundbedürfnisse eines Menschen, welche bestimmen, ob sich ein Mensch zufrieden in seinem Job fühlt oder nicht – unabhängig vom New Work-Trend.
• Bedürfnis nach Kompetenz (gute Arbeit entwickelt uns weiter)
• Bedürfnis nach Autonomie (gute Arbeit gibt dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, frei zu sein und freie Entscheidungen zu treffen)
• Bedürfnis nach Struktur und Sicherheit (ein guter Job ist der, bei dem man nicht fürchten muss, ihn leicht zu verlieren)
• Bedürfnis nach sozialer Einbindung (wir sind soziale Wesen und brauchen andere Menschen)
Alle Jobs sollten diese vier Kriterien erfüllen.
Gleißner betont, dass eine produktive Wirtschaft auch die Bedürfnisse der MitarbeiterInnen erfülle. Als Beispiel nennt er die Möglichkeit zur Reduktion der Arbeitszeit.
Chancen und Zukunft von New Work
Die Coronakrise hat unser Bildungssystem wachgerüttelt. Die Chancen von New Work sieht Schitter darin, Schule und Bildung neu zu denken. So sollte mehr Fokus auf Analytik, Selbstorganisation und Eigenständigkeit gelegt werden. Sollak plädiert dafür, ArbeitnehmerInnen im Zuge der innerbetrieblichen Weiterbildung mit neuen Kompetenzen auszustatten (Stichwort: Soft Skills).
Einwurf aus dem Publikum: Der New Work-Ansatz mit dem Wunsch nach Sinn, Freiheit, Selbstbestimmung und Potentialentfaltung muss schon im Kindesalter beginnen. So könnten sich Kinder zu ArbeitnehmerInnen entwickeln, die diese gewissen Kompetenzen und Fertigkeiten mitbringen. Nur so können wir dem New Work – Ansatz gerecht werden.
Kühteubl hält die Umsetzung von New Work bei Betrachtung des aktuellen Arbeitsrechts für unmöglich. Dazu müsste das gesamte Rechtssystem umgedacht werden. Für Schitter stellt New Work einen radikalen Ansatz dar, der mit dem bestehenden System schwer in Einklang zu bringen ist. Gleißner vertritt den Standpunkt, dass gute Rahmenbedingungen (Sinn im Job, gutes Einkommen) für ArbeitnehmerInnen und Unternehmen die Ziele begünstigen, die New Work verfolge.
Korunka verweist darauf, dass das Recht lediglich einen Rahmen darstelle, der zwar absichere, aber in Verbindung mit der Sinnfrage eine fruchtlose Diskussion darstelle.
Sollak wünscht sich, dass die während der Coronakrise gelebten Vorteile und Freiheiten in hybriden Arbeitsformen weitergeführt werden. Dazu zählt für ihn auch, das Arbeitsrecht anzugreifen und im Sinne eines radikalen Wandels zu ändern. Zudem solle Führung auf Vertrauensbasis gelebt werden.
Auch Gleißner ist der Meinung, dass eine Hybridvereinbarung das beste Modell für beide Seiten (AN, AG) ist.
Bei der Diskussion spalten sich die Meinungen zur Verwirklichung von New Work. Ist mehr Freiheit im Job und Arbeit ohne Grenzen realistisch oder doch nur eine Utopie?
Korunka schlägt Lösungsansätze zur Gestaltung der zukünftigen Arbeitswelt vor. So müssen Arbeitsbedingungen geschaffen werden, in denen Menschen länger arbeiten (beispielsweise bis 70 Jahre). Schließlich müsse auch das Pensionssystem abgesichert werden.
Gleißner kritisiert den New Work-Ansatz in dem Sinne, dass Arbeit nicht nur Spaß machen kann. Es gäbe auch Tätigkeiten, die körperlich sehr anstrengend seien und niemand machen möchte wie beispielsweise Straßen kehren und reinigen. Korunka wirft an dieser Stelle ein, dass diese Jobs in Zukunft sowieso automatisiert würden. Dieser Meinung ist auch Sollak.
Einwurf aus dem Publikum: Auch diese „miesen“ Jobs können sinnvoll sein. Es gibt schon Projekte, bei welchen beispielsweise eine Reinigungskraft durch ihre Tätigkeit Hausbau in Afrika unterstütze. Mit ausreichend Kreativität könnten auch in solchen Bereichen sinnvolle Jobs geschaffen werden.
Fazit: Es brauche nur Mut, Veränderungen herbeizuführen.
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Ingo Oberortner (WSR)
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Mag.a. Nicole Kirowitz studierte an der Universität Wien Psychologie und Romanistik. Sie engagierte sie sich in Ihrer Freizeit ehrenamtlich in Hilfsorganisationen in Belgien, Lateinamerika als auch beim Wiener Hilfswerk. 2015 schloss Nicole Kirowitz ihre Ausbildung mit einem Praktikum bei der UNO in Bangkok im Bereich des internationalen Handels ab. Nach Ihrer Rückkehr koordinierte sie Studierendenkurse an einem Bildungsinstitut in Wien. 2018 schloss Nicole Kirowitz einen MBA in International Management in Lille ab und arbeitet nun seit 2019 als Projektkoordinatorin bei der Digital Society.