Der Fachkräftemangel ist auch Anfang 2021 trotz der höchsten Arbeitslosigkeit in Österreich in der Nachkriegszeit eine der größten Herausforderungen in österreichischen Unternehmen.

Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit

Arbeitslosigkeit 1946-2019

Aufgrund der Corona Krise hat sich die Welt seit März 2020 dramatisch verändert. Viele Unternehmen sind schon monatelang im Lockdown. Die Gastronomie und Hotellerie ist massiv betroffen. Der Handel war auch lange Zeit geschlossen. Die produzierenden Unternehmen litten vor allem im ersten Lockdown unter Lieferkettenproblemen. Die Menschen haben alle Zukunftsängste und geben daher naturgemäß weniger Geld aus, selbst wenn Geschäfte geöffnet haben. Menschen im Homeoffice benötigen weniger Kleidung. Es leiden daher auch Branchen wie die Kleiderreinigung darunter. All das hat natürlich Auswirkung auf die Beschäftigung von Mitarbeitenden.

Es sind daher Ende Jänner 2021 468.330 als arbeitslos gemeldet. Inklusive der in Schulung gemeldeten Personen sind derzeit ca. 581.600 Menschen auf Arbeitssuche.

Zusätzlich befanden sich noch rund 140.000 Menschen Anfang Jänner 2021 in Kurzarbeit.

Die Zahl der unselbstständig Beschäftigten ging im Dezember 2020 im Vergleich zum Vorjahresmonat um rund 1,4 Prozent auf 3,716 Millionen zurück. Die Anzahl der sofort verfügbaren Stellen schrumpfte um 22,7 Prozent auf 50.610.

Trotz dieser hohen Arbeitslosenzahlen und daher verfügbaren Arbeitskräften klagen Österreichs Unternehmen über einen Fachkräftemangel.

 

Fachkräftemangel

WKO Fachkräftemangel

Vom Fachkräftemangel spricht man, wenn eine bedeutende Anzahl von Arbeitsplätzen nicht besetzt werden kann, weil die Zahl der geeigneten bzw. ausreichend qualifizierten Kandidaten auf dem Arbeitsmarkt zu gering ist. Laut einer aktuellen Studie der Wirtschaftskammer Steiermark ist auch 2021 der Fachkräftemangel das Problem Nummer Eins bei den Betrieben mit fast 60%. Rückzahlung von Schulden und Liquiditätsengpässe, die man in der Krise vermuten würde, liegen nur auf Platz 5 und 6 mit 19 und 15 Prozent.

Wie kann es also sein, dass selbst in der Corona Krise mit der höchsten Arbeitslosigkeit seit 1945 die Unternehmen keine Fachkräfte finden?  Wichtig ist hier die Unterscheidung zwischen Arbeitskräftemangel und Fachkräftemangel. Beim Arbeitskräftemangel übersteigt die Nachfrage das Angebot an Arbeitskräften grundsätzlich.

Beim Fachkräftemangel fehlen Arbeitskräfte mit einer bestimmten Qualifikation. Wir haben also derzeit in Österreich genügend Arbeitskräfte. Die Arbeitskräfte verfügen jedoch nicht über die richtigen Qualifikationen.

Nicht unerwartet finden sich in der Liste der Mangelberufe eine ganze Reihe technischer Berufe (Diplom-Ingenieur bzw. Ingenieur) für Elektrotechnik, Informatik, etc. Aber auch eine Fülle von Berufen in der Baubranche und nicht ganz unerwartet auch Pflegekräfte. Ich erwarte, dass vor allem Berufe im IT Bereich durch die digitale Transformation in den nächsten Jahren noch viel stärker nachgefragt werden und daher noch knapper werden. Beispielsweise sind schon jetzt im Bereich der Datenanalyse (Data Science) oder Künstlicher Intelligenz (KI/AI) Experten kaum zu finden.

Fachkräfte binden

Wenn Fachkräfte am Markt kaum zu finden sind, dann müssen Unternehmen danach trachten, die Bindung ans Unternehmen zu stärken, sobald man jemanden gefunden hat. Laut dem Engagement Index (2018) des renommierten Gallup Institutes haben in Österreich nur 12% der Mitarbeiter eine hohe Bindung zum Unternehmen. 71% haben eine geringe Bindung und 18% gar keine Bindung zu ihrem Unternehmen. Naturgemäß sind all jene, die keine oder eine geringe Bindung zu ihrem Arbeitgeber haben, verstärkt aktiv auf Jobsuche.

Welche Faktoren haben nun die größte Auswirkung auf die Zufriedenheit von Mitarbeitenden? Der amerikanischen Arbeitspsychologe Frederick Herzberg geht davon aus, dass zwei voneinander unabhängige Dimensionen der Arbeitszufriedenheit existieren: Zufriedenheit/Nicht-Zufriedenheit auf der einen und Unzufriedenheit/Nicht-Unzufriedenheit auf der anderen Seite. Beide Dimensionen werden von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst.

Hygienefaktoren Motivationsfaktoren
Arbeitsbedingungen Anerkennung
Persönliche Beziehungen Erfolg
Führung Entwicklungsmöglichkeiten
Sicherheit Aufgaben
Vergütung Eigenverantwortlichkeit
Unternehmenspolitik Wachstum

Mitarbeiter verlassen Unternehmen aufgrund nicht passender Hygienefaktoren, also wenn die Arbeitsbedingungen bzw. das Arbeitsumfeld nicht passen. Ist der Umgang miteinander nicht in Ordnung, verlassen die besten Fachkräfte das Unternehmen.

Einen entscheidenden Faktor stellen die Führungskräfte dar. Führung ist ein wichtiger Faktor bei den Hygienefaktoren, allerdings sind fast alle Faktoren auf der Motivationsseite auch stark abhängig von der Qualität der Führungskräfte. Welche Aufgaben die Fachkraft in welcher Eigenverantwortung zugeteilt bekommt und wie viele Freiräume hier bestehen beeinflusst das persönliche Erfolgserlebnis und damit auch den Beitrag zu den Unternehmenszielen. Lob und Anerkennung zu zeigen verursachen dem Unternehmen kaum Kosten, sind jedoch oft wichtiger als die Vergütung. Nicht umsonst sagt man, Mitarbeitende verlassen Chefs, nicht Unternehmen.

Ein entscheidender Faktor für Mitarbeitende ist ihr Gefühl, sich im Unternehmen entwickeln und weiter wachsen zu können. Die Weiterentwicklung von Fachkräften schägt also zwei Fliegen mit einer Klappe. Zum einen können Mitarbeitende in Bereiche entwickelt werden, wo im Unternehmen Bedarf besteht, wodurch einem internen Fachkräftemangel entgegengewirkt wird. Zum anderen steigert man dadurch die Motivation der guten Fachkräfte, sodass ihr Wunsch sinkt, das Unternehmen zu verlassen.

Führung und Mitarbeiterentwicklung sind also zwei wichtige Faktoren, um Mitarbeiter zu binden und nicht zu “verheizen”.

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