Unsere DigiTalk-Serie zum Thema Cloud Computing bestand aus drei Teilen. Der erste DigiTalk stellte Cloud Technologien und ihre Anwendung vor, der zweite DigiTalk widmete sich den Auswirkungen der Cloud-Nutzung auf die Gesellschaft. In dritten Teil diskutierten wir mit VertreterInnen der Politik über ein Regelwerk zur einheitlichen Nutzung von Cloud-Computing Anwendungen und relevante Inhalte der europäischen Cloud-Strategie. Hier unsere Zusammenfassung.

TeilnehmerInnen der Podiumsdiskussion:

  Claudia Gamon – MdEP, NEOS
Europa-Sprecherin und Mitglied des Europäischen Parlaments in der Fraktion “Renew Europe”
Studium internationale Betriebswirtschaft und Internationales Management an der WU Wien und der Université catholique de Louvain. Erste politische Erfahrungen 2011als als Spitzenkandidatin der Jungen Liberalen in der österreichischen Hochschülerschaft. Danach Vertreterin der NEOS als Abgeordnete zum Nationalrat im österreichischen Parlament. In Ihrer jetzigen Funktion sind Ihre Themen Digitalisierung, Energie, Wissenschaft, Forschung und Technologie.
@diegamon auf Twitter, Instagram und Facebook unterwegs. (Foto: NEOS)
Stefan Schennach – SPÖ
Mitglied des Bundesrates, Mitglied des Europarates
Vorsitzender des Ausschusses für Zukunft, Innovation und Forschung, stellvertretender Vorsitzender des EU-Ausschusses. Einatz für eine europäische Politik im Sinne der Mitbestimmung und der solidarischen wie nachhaltigen Entwicklung. Darüber hinaus als Pädagoge, Sozialarbeiter, Journalist, Buchautor, Lektor und Musikproduzent tätig.
(Foto: privat)
  Axel Voss – MdEP, CDU
Mitglied des Europäischen Parlaments in der Fraktion der Europäischen Volkspartei
Seit 2011 Bezirksvorsitzender der CDU Mittelrhein, seit 2014 Mitglied im Rechtsauschuss und stellv. Mitglied des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres. Seit 2017 Sprecher der EVP-Fraktion im Rechtsausschuss.
(Foto: Webseite Axel Voss)
  Alexandra Geese – MdEP, Grüne
Mitglied des Europäischen Parlaments in der Fraktion der Grünen
Mitglied des Europäischen Parlaments und Mitglied im Haushaltsausschuss, im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz sowie stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Regionale Entwicklung. Für die Fraktion Greens/EFA Schattenberichterstatterin für das Gesetz über die digitalen Dienste, “Digital Services Act” im Binnenmarktsausschuss. Koordinatorin der Fraktion im Sonderausschuss für künstliche Intelligenz (AIDA). Ihre Anliegen sind eine gerechte Digitalisierung, Partizipation und Frauenrechte. (Foto: Webseite Alexandra Geese)
Moderation: Lena Doppel-Prix
Trainerin
Autorin und Expertin für digitale Kommunikation, trainiert und berät Organisationen und Firmen in digitalem Marketing, mit Fokus auf Social Media Kommunikation, spricht und lehrt zu Social Media- & Content-Marketing sowie digitalen Kompetenzen. 2016 gemeinsam mit Katrin Zita Herausgeberin des Selbsthilfebuchs „Digital Happiness“. Vortragende an der Uni Wien, der FH Wieselburg Wiener Neustadt und an der FH des BFI Wien. Im Vorstand des Vereins respekt.net und Geschäftsführerin der gleichnamigen Crowdfunding-Plattform.
(Foto: Sabine Hauswirth)

Europa als Cloud-Standort

Über 90% aller Cloud Services kommen aus den USA – eine traurige Bilanz für Europa. Mit dem Projekt GAIA-X will Europa seine digitale Zukunft selbst gestalten und eine wettbewerbsfähige Dateninfrastruktur aufbauen. Vor allem die Abhängigkeit von den großen amerikanischen und chinesischen Anbietern soll unter Einhaltung der europäischen Werte reduziert werden. Doch wie kann eine europäische Cloud-Allianz umgesetzt werden und was halten die Mitglieder des Europäischen Parlaments von der europäischen Cloud-Lösung?

Claudia Gamon betont die Notwendigkeit, mehr in Forschung und europäische Rahmenprogramme zu investieren. Sie befürworte die European Open Science Cloud, welche europäischen Wissenschaftlern den Zugang zu wissenschaftlichen Daten erleichtern soll. Fraglich sei jedoch, welche Daten aufgrund nicht vorhandener Registerforschung der Cloud überhaupt zur Verfügung gestellt werden können.

Erklärung Registerforschung: Unter Registern im Sinne des Forschungsorganisationsgesetzes (FOG) sind sämtliche Verzeichnisse, Datenbanken oder ähnliche Anwendungen oder Verarbeitungsplattformen zu verstehen, die bundesgesetzlich vorgesehen sind. Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) arbeitet derzeit gemeinsam mit dem Bundeskanzleramt (BKA) in Umsetzung des Regierungsprogramms unter Einbindung der Statistik Austria und der Wissenschaft an der Bereitstellung von Registerdaten für die Forschung unter größtmöglicher Datensicherheit sowie Forschungsfreundlichkeit. (Quelle: bmbwf.gv.at)

Wichtig sei auch die Frage der Netzwerkqualität in Europa. Zudem seien viele Services, welche beispielsweise im Tourismus wichtig sind, noch immer nicht dauerhaft online.

Digitale Politik müsse in Europa möglich gemacht werden, damit Unternehmen auch global unter Einhaltung der europäischen Werte und Standards erfolgreich sein können.

Ein weiterer großer Diskussionspunkt ist der Datenschutz. „Datenschutz ist eines der höchsten Güter, das wir hier verteidigen müssen“, bringt Stefan Schennach ein. Laut Schennach müsse Europa seine eigene digitale Infrastruktur ausbauen und eigene Standards setzen. Der SPÖ-Abgeordnete unterstreicht, dass wir genug Potenzial auf europäischer Ebene hätten, Österreich jedoch manchmal wichtige Entwicklungen wie beispielsweise die Teilnahme am IBCIE-Fördertopf verschlafe. Ein weiteres Problem stellten fehlende Visionen von Cloud-Initiativen/Projekten dar.

Axel Voss ist davon überzeugt, dass Europa gegenüber den USA und China zu passiv ist. „Wir können nicht immer nur bis ins letzte Detail über Datenschutz reden, sondern müssen auch ins aktive Umsetzungsgeschäft kommen. Wir wissen, wo es Verbesserung geben könnte, gehen es aber nicht an.“, so der CDU-Politiker. Chinesische und amerikanische Systeme profitierten dabei von ihrer flexiblen Infrastruktur. Auch Europa müsse sich auf eine schnellere Umsetzung und weniger Regulierung konzentrieren, um digital überleben und mithalten zu können. Bei dem europäischen Projekt GAIA-X sollten europäische Standards nicht verletzt werden, jedoch müsse Europa auch offen dafür sein, den Wettbewerb aufzunehmen.

Alexandra Geese unterstreicht die Bedeutung von Daten, welche für Unternehmen bedeutender sind, denn je – nach dem Motto „data is the new soil“ (ein fruchtbarer Boden als grundlegende Basis für die digitale Wirtschaft). Die digitale Infrastruktur müsse groß und schnell genug sein und mit entsprechend intelligenten Algorithmen betrieben werden. Geese spricht sich für eine eigene europäische Cloud aus, fragt jedoch in die Runde, ob ein Zusammenschluss der besten Unternehmen ausreichend sein wird.

Auch Voss ist davon überzeugt, dass Daten notwendig sind, um nicht von neuen technologischen Entwicklungen ausgeschlossen zu werden. Voss betont noch einmal, dass mit einem alleinigen Fokus auf Datenschutz nichts erreicht werden könne. Datenschutz und Innovation müssten Hand in Hand gehen.

Voss verweist auf die Notwendigkeit eines Zusammenschlusses mehrerer Unternehmen, welche Innovation vorantreiben (könnten). Nur durch Zusammenschluss könne auch eine gewisse Größe erreicht werden. Ein einzelnes Unternehmen könne zwar eine Innovation starten, aber auf Dauer brauche es ein entsprechendes Gewicht.

Europas Innovationskraft hat in den letzten Jahren stark nachgelassen. Wie kann ein innovatives Umfeld in Europa wiederaufgebaut und gefördert werden? Während GAIA-X eine kollaborative EU-staatliche Initiative ist, stellen außerhalb Europas private Player die digitale Infrastruktur zur Verfügung.

Geese spricht sich dafür aus, mehr Geld für Forschung und Entwicklung auszugeben, um Innovation voranzutreiben. Wichtig seien Scale-up-Finanzierungen, welche Jungunternehmen mit innovativem Geschäftsmodell fördern und finanziell unterstützen. Zudem sollte nicht nur auf „Unicorns“ (Erklärung: „Unicorn“ ist ein Start-up-Unternehmen, das einen Marktwert von über einer Milliarde US-Dollar hat), sondern auf Kooperationen gesetzt werden. Europa habe eine Vielfalt an Ländern, Unternehmen, Universitäten und Forschungszentren – diese Kooperation sollte gefördert werden.

Schennach weist darauf hin, dass subventionierte Projekte mit privatwirtschaftlicher Beteiligung eher nicht funktionieren würden, Beispiel Galileo.

Gamon kritisiert die komplizierte Forschungsförderung. Die Probleme fußten nicht in digitalen, sondern systemischen Problemen. Es fehle an Unterstützung beim Administrativen, die Bürokratie sei überfordernd. Zudem würde in Europa weniger in Grundlagenforschung investiert als in den USA. Gamon erklärt, dass die Verbindung zwischen Universitäten und Wirtschaften sowie die Vermarktung von Forschungsergebnissen in den USA viel besser als in der EU funktioniere.

Der allgemeine Tenor ist, dass wir nur auf europäischer Ebene (mit entsprechendem Datenschutz) eine Lösung für Cloud-Services finden können. Die Bedeutung einer internationalen Partizipation wird während der Podiumsdiskussion mehrere Male unterstrichen. Voss meint, dass eine digitale Agenda auf den digitalen Binnenmarkt europaweit – und nicht national fokussieren müsse. Er drängt auf einen dringenden Mentalitätswechsel, da zu oft nur auf nationales Interesse geachtet wird.

Datenschutz bzw. Sicherheit vor staatlichem Zugriff (vor allem USA)

Durch den Wegfall des Privacy Shields ist unklar, wie amerikanische Cloud-Services überhaupt legal genutzt werden können. Da der EuGH geurteilt hat, dass die Privatsphäre von EU-BürgerInnen nicht gewahrt werden kann, weil die US-Behörden ohne rechtsstaatliche Mechanismen auf die Daten von BürgerInnen zugreifen können, scheint es aussichtlos, Daten rechtskonform bei US-Providern (innerhalb und außerhalb der USA) zu speichern. Wäre dies nicht ein idealer Zeitpunkt für europäische Unternehmen, eine EU-Cloud zu entwickeln?

Schennach zweifelt an einer Umsetzung innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre, die anderen TeilnehmerInnen hoffen sehr wohl auf eine frühere Umsetzung.

Voss kritisiert, dass Datenschutz über alles gehe. Dieser zerstöre die digitale Flexibilität. Es brauche eine Balance zwischen dem Schutz personenbezogener Daten und der möglichen Anwendung technologischer Lösungen. „Datenschutz soll und kann uns im Business nicht immer behindern.“, heißt es aus dem Publikum. Für Schennach gehe Voss zu locker mit Datenschutz um. Dieser dürfe nicht vernachlässigt werden. Geese hebt ebenfalls hervor, dass europäische Unternehmen ohne entsprechende juristische Absicherung keine Risiken eingehen wollen.

Gamon stellt die Frage in den Raum, wie die Europäische Union Einfluss auf die Datenschutzgegebenheiten in den anderen Märkten nehmen könne. Jedoch seien nicht unbedingt ausländische Firmen das Problem, da auch inländische Firmen sich nicht an Datenschutzvorgaben halten, sondern Monopolstellungen. Es erweise sich als sehr schwierig, UserInnen von Monopolen wieder wegzubekommen (Facebook, Office365, …). So existierten beispielsweise unterschiedliche Suchmaschinen-Alternativen, jedoch würden diese von NutzerInnen nur wenig nicht verwendet, Beispiel Ecosia (deutsche Suchmaschine).

Meldung aus dem Publikum: “So scheiterte auch das Quaero-Projekt, eine Suchmaschinen-Alternative zu Google.” Klar ist: Imitation war und ist keine Lösung. Es muss eine gemeinsame Anstrengung/ Kooperation geben.

Gamon plädiert dafür, dass hier auch die Politik gestaltend eingreifen sollte.

Das Projekt GAIA-X habe jedenfalls großes Potential, eine europäische Cloud mit Mehrwert zu schaffen. COVID könnte genutzt werden, um einen europäischen Health Data Space aufzusetzen.

Fazit: Wir müssen uns als Europa Gedanken machen, was wir eigentlich wollen.

Corona hat stark zur Digitalisierung der Arbeit beigetragen. Was können und sollen wir nun aus der Pandemie an Positivem mitnehmen? Schennach berichtet von einer geplanten Konvention des Europarates zu künstlicher Intelligenz, um entsprechende Grundlagen zu schaffen. Es brauche ebenso mehr Partizipation von Bürgern und Bürgerinnen in Digitalfragen, damit Technik-Neuerungen besser angenommen werden. Geese weist darauf hin, dass durch Online-Kontakte viele Berührungsbarrieren abgebaut werden konnten. Man verliere aber auch Menschen, die technologisch nicht fit sind. Und letztendlich stehe immer der Mensch im Mittelpunkt.

DigiTalk verpasst?

Die Video-Aufzeichnung finden Sie auf unserem YouTube-Channel.

Neue DigiTalk-Serie 2021

2021 startet unsere DigiTalk-Serie mit dem Thema „New Work“. Am 20. 01.2021 stellen ExpertInnen aus Wissenschaft und Wirtschaft neue Formen des digitalen Arbeitens sowie Chancen und Risiken der digitalen Transformation in der Arbeitswelt vor.

Wir würden uns sehr freuen, Sie bei dieser Veranstaltung wieder (online) begrüßen zu dürfen.

Hier geht es zur Anmeldung.

 

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Nicole Kirowitz

Projektleitung bei Digital Society
Mag.a. Nicole Kirowitz studierte an der Universität Wien Psychologie und Romanistik. Sie engagierte sie sich in Ihrer Freizeit ehrenamtlich in Hilfsorganisationen in Belgien, Lateinamerika als auch beim Wiener Hilfswerk. 2015 schloss Nicole Kirowitz ihre Ausbildung mit einem Praktikum bei der UNO in Bangkok im Bereich des internationalen Handels ab. Nach Ihrer Rückkehr koordinierte sie Studierendenkurse an einem Bildungsinstitut in Wien. 2018 schloss Nicole Kirowitz einen MBA in International Management in Lille ab und arbeitet nun seit 2019 als Projektkoordinatorin bei der Digital Society.