Vor genau einem Jahr habe ich mein positives Covid-19-Testergebnis erhalten und musste in Quarantäne. Zeit für einen kleinen Rückblick.
Meine damaligen Erlebnisse, sowohl medizinischer wie auch behördlicher Natur, habe ich in diesem Blogeintrag geschildert. Was hat sich seither getan? Nun, medizinisch muss ich sagen, hatte ich großes Glück. Ich blieb von heftigen Long-Covid-Folgen verschont. Den Geruchs- und Geschmackssinn hatte ich nach Abklingen des Fiebers rasch wiedererlangt. Wenn ich jetzt lese, dass es eine erkleckliche Anzahl an Fällen gibt, bei denen es monatelang gedauert hat und in einigen Fällen der Verlust noch immer andauert, dann verspüre ich große Erleichterung. Es gab sogar Fälle, wo sich Leute deswegen das Leben genommen haben, weil sie nichts mehr riechen und schmecken konnten.
Was ich in den Monaten danach spüren konnte, war ein deutlicher Rückgang der Gedächtnisleistung und des Konzentrationsvermögens. Im Juni probten wir für die Abschlussvorstellung an der Musicalakademine Murtal, und ich sollte ein kurzes Shakespeare-Sonett auswendig lernen und vortragen. Normalerweise ist mein Gedächtnis sehr gut (bis auf das Namensgedächtnis), ich lese mir einen Text ein paar Mal durch und kann ihn. Aber diesmal nicht. Ich versuchte alle Lerntricks, Visualisierungen, Reisestory, rhythmischer Singsang, ich schaffte es nicht, das Gedicht so in meinem Gehirn zu verankern, dass ich es ohne zu zögern aufsagen konnte. Wir mussten die Szene letztlich kürzen und das Sonett streichen.
Ein paar Monate Jahr später, im Herbst, versuchte ich es nochmal. Ich las mir das Sonett durch, und plötzlich machte es klick. Ich konnte das Sonett problemlos aufsagen! Es war wohl weniger das lernen sondern vielmehr das Abrufen behindert gewesen. Meine Erleichterung war groß. Auch die Konzentrationsschwierigkeiten waren wieder weg, die Lungenfunktion normal, keine chronischen Erschöpfungszustände zu bemerken.
Nachdem ich so großes Glück hatte, wollte ich auch etwas zurückgeben. Ich nahm daher an einer Antikörper-Studie im AKH teil, die die Antikörper von Genesenen untersuchte. Die Studie läuft noch, das erste Zwischenresultat ist, dass etwa 60% der Genesenen sogenannte neutralisierende Antikörper besitzen, die sich an den Stachel des Virus heften und verhindern, dass das Virus die Zelle am ACE2-Rezeptor aufschließen und dadurch eindringen kann.
Ich habe zwischenzeitlich auch mehrmals Antikörper durch Plasmaspenden gespendet und hoffe, dass sie geholfen haben, in schweren Fällen das Überleben zu sichern.
Vor ein paar Tagen habe ich einen Labortest um 30€ machen lassen, um meinen derzeitigen Antikörper-Stand zu bestimmen. Obwohl schon ein Jahr vergangen ist, habe ich noch immer sehr viele Antikörper. Und ich habe neutralisierende Antikörper, d.h. es ist derzeit absolut unwahrscheinlich, dass ich infiziert werden oder das Virus weitergeben kann. Allerdings muss man sagen, dass das derzeit nur für die Originalversion und die britische Mutante gilt. Wie das bei der südafrikanischen und vor allem der brasilianischen Mutante aussieht, ist noch unklar. Vor allem letztere ist nochmal deutlich mehr ansteckender als die englische und führt leider auch zu deutlich schwereren Verläufen und einer viel höheren Todesrate.
Ich muss sagen, ich bin sehr froh in Wien zu leben. Sowohl das Testen wie auch das Impfen sind recht gut organisiert. Ja, es gibt immer wieder mal Fehler, aber man hat immer das Gefühl, dass hier planvoll vorgegangen wird. Ich habe Vergleichsmöglichkeiten mit zwei anderen Bundesländern, und dort läuft längst nicht alles so rund wie in Wien. Besonders die Anmeldemöglichkeiten zum Testen und Impfen via Internet bzw. Handy sind gut durchdacht, und es gibt die Möglichkeit für Ältere, die nicht so internet-fit sind, das über 1450 telefonisch zu machen. In Niederösterreich geht das Anmelden zum Impfen nur übers Internet und kann nur persönlich und nicht zB durch das Gesundheitsamt der Gemeinde durchgeführt werden.
Besonders hoffnungsvoll stimmt mich die Initiative “Alles gurgelt” der Stadt Wien, über die ich hier geschrieben habe. Passt auf euch auf!
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Roland Giersig ist Physiker, studiert Rechtswissenschaften, ist Sicherheitsexperte und Inhaber und Geschäftsführer der Firma SafeSec. Seine Anliegen sind besonders die Transparenz der öffentlichen Verwaltung und die Einhaltung der Grundrechte im digitalen Raum.
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