INTRO

Nicole Kirowitz Die Digital Society hat auch dieses Jahr wieder an den Digital Days am Erste Campus teilgenommen. Nach der Eröffnungsrede von Bürgermeister Dr. Michael Ludwig, gab Philosoph und Autor Dr. Richard David Precht einen Einblick in die Digitalisierung aus philosophischer Sicht.

Precht zieht einen Vergleich zwischen dem aktuellen digitalen Wandel und der ersten industriellen Revolution. Erheblicher Unterschied: Heutzutage wird statt der menschlichen Hand das menschliche Gehirn durch die Maschine ersetzt. Insbesondere Berufe, für welche keine besonderen Qualifikationen und kein menschlicher Kontakt notwendig sind, seien am stärksten durch Automatisierung gefährdet. Dagegen werden Handwerks-, IT-, Empathie- und Managementberufe im digitalen Zeitalter von Bedeutung sein. Das seien jene Berufe, in welchen der Mensch dem Roboter überlegen sei.

Precht verweist in seinem Diskurs auch auf die bekannte Oxford-Studie von Frey und Osborne, welche in den nächsten zwanzig Jahren eine Bedrohung für 47% aller Arbeitsplätze in den USA prognostiziert.

Der Philosoph relativiert das Ergebnis der Studie jedoch. Nicht alles, was sich digitalisieren lässt, muss auch digitalisiert werden. Hierbei spielt die gesellschaftliche Akzeptanz zur Umsetzung technischer Neuerungen eine große Rolle. Precht erwähnt das Beispiel der Kindergartenpädaog_innen. So werden diese mit großer Sicherheit auch in Zukunft nicht durch Maschinen ersetzt werden, da Eltern ihre Kinder nicht von emotionslosen Robotern betreuen lassen wollen.

Siehe auch Kompensationstheorie von David Ricardo: Der technische Fortschritt schafft mehr Arbeit, wenn gleichzeitig mit der Produktion auch die Kaufkraft gesteigert wird.

Für Precht ist klar: Es werden neue Jobs entstehen, es werden jedoch auch viele wegfallen. Die digitale Revolution wird unsere Gesellschaft, als auch Arbeitswelt grundlegend verändern. So bewegen wir uns von einer Leistungs- zu einer Tätigkeitsgesellschaft, in welcher mehr Kreativität und intrinsische Motivation erforderlich sein werden: „Wenn wir heutzutage das System Schule neu erfinden müssten, würden wir dieses grundlegend anders gestalten.“

Zudem spricht sich Precht für das bedingungslose Grundeinkommen aus. Grund dafür: Der technische Fortschritt bedingt eine Reduzierung der Arbeitszeit und eine immer älter werdende Bevölkerung; all dies wird Auswirkungen auf unser Steuersystem haben.

Wir befinden uns noch lange nicht mitten in der digitalen Revolution. Es kommt noch einiges auf uns zu.“. Precht sieht dieser Zukunft bei rechtzeitigem Handeln positiv entgegen.

Wir laden auch recht herzlich dazu ein, an unserer Online Diskussion zum Thema “Zukunft der Wissensarbeit” teilzunehmen. Die Digital Society setzt sich dafür ein die Digitalisierung positiv zu nutzen und unsere Energie darauf zu verwenden, uns als Gesellschaft möglichst rechtzeitig und optimal auf die Zukunft vorzubereiten.

ETHICS: Digitaler Humanismus vs Global Data Economy, Fake News

Diksussion Digital Days

Für einen spannenden Austausch am Podium sorgten: Dr. Christopher Frauenberger, TU Wien; Mag.a Manuela Herles, Axians ICT Austria GmbH; Michael Katzlberger, TUNNEL23 Werbeagentur GmbH; Dipl.Ing. Nermina Mumic, TU Wien; Jörg Neumayer, MA, Gemeinderat der Stadt Wien; Dr. hc Wolfang Renner, MSc, Wiener Zeitung GmbH; Tana Sehorst, VerVieVas GmbH; Mag. a Lieselotte Maria Wenzl, Developing Business 4You. Durch den Nachmittag führte Reinhard Jesionek.

Wie kann eine humane Welt im digitalen Zeitalter aussehen? Ist Technologie mehr Selbstzweck (reine Gewinnmaximierung, Kontrolle) oder dient sie der Gesellschaft? Wohin geht die digitale Reise? Diesen und ähnlichen Fragen haben sich die Podiumsgäste in der Diskussion über Ethik und Digitalisierung gewidmet.

Bewusstseinsbildung

In der breiten Bevölkerung muss mehr Bewusstsein für die Bedeutung der Digitalisierung geschaffen werden. Immer mehr Menschen verlassen sich blindlings auf die Technik, ohne diese zu hinterfragen. Wird so der gesunde Menschenverstand wegrationalisiert?

Viele Menschen sind sich beispielsweise gar nicht bewusst, dass sie mit ihren persönlichen Informationen und Daten bezahlen. Zudem geht die Digitalisierung mit einer Verzerrung der Wirklichkeit und Verbreitung von Desinformation, sogenannter Fake News einher (Stichwort: Donald Trump, Brexit). Vielen Menschen fehlt es an einem Bewusstsein hierfür. Was wir daher brauchen ist eine aufgeklärte und verantwortungsbewusste Gesellschaft, die mit mehr Achtsamkeit handelt. Am besten sollte man bei Kindern so früh wie möglich beginnen, ihnen Achtsamkeit und Selbstreflexion beizubringen.

Gesetzliche Reglements zur Digitalisierung

Die digitale Transformation wirkt in unterschiedliche Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft – können wir dies überhaupt steuern? Uneinigkeit besteht hinsichtlich der Reglements und Transparenz der Systeme. Reicht es aus, zu wissen, dass man manipuliert wird oder braucht es mehr Regeln und Gesetze zur Digitalisierung?

Eine rege Debatte entsteht um das Thema der „crime predictive analytics“-Software – ein Algorithmus, welcher zur Vorselektion von potenziellen Verbrechern eingesetzt wird. „Die reine Offenlegung des Algorithmus reicht an dieser Stelle nicht aus. Die Digitalisierung muss auch diskriminierungsfrei gestaltet und reguliert werden.“, heißt es aus dem Publikum.

Regularien allein werden nicht helfen, wird diskutiert. Es braucht zudem ein gewisses Maß an Eigenverantwortung. Man sieht an der aktuellen Entwicklung, dass trotz Datenschutzbedenken Konsument_innen nicht auf ihre Teilnahme am jö Bonus Club verzichten. Jeder Einzelne müsse sich damit auseinandersetzen, welche Auswirkungen sein/ihr eigenes Handeln auf die Gesellschaft und Zukunft hat.

Regularien sind dennoch essenziell, wie man am Beispiel der Europäischen Datenschutzgrundverordnung sieht. Mit der DSGVO wurden weltweite Standards für Datenschutz gesetzt, auch amerikanischen Großkonzerne müssen nun mitziehen. Es braucht daher beide Seiten: das Bewusstsein als auch die Regulierung der Digitalisierung.

Potenziale der Digitalisierung

Der technische Fortschritt bringt auch viele Potenziale mit sich: Einzelpersonen können sich durch die Digitalisierung ein Sprachrohr verschaffen und somit von der breiten Öffentlichkeit gehört werden (YouTuber, Influencer). Für Musiker_innen beispielsweise war es noch nie so einfach wie zuvor über Plattformen erfolgreich zu sein. Für Unternehmer_innen ergibt sich aus der Digitalisierung ein riesiges Chancenpotenzial, dessen sie sich oft gar nicht bewusst sind. Wie stellt man dieses Bewusstsein her? Durch mehr Achtsamkeit, lautet ein Vorschlag.

Digitaler Humanismus: die digitale Welt eigenständig gestalten

Wir müssen den gesellschaftlichen Wandel wieder zurückerobern.“ Die Technologie sollte zu einer Verbesserung der Gesellschaft führen und nicht wie derzeit ausschließlich auf eine Gewinnmaximierung der kommerziellen Unternehmen ausgerichtet sein.

Man ist sich einig: Dafür braucht es ein gewisses Maß an Zusammenarbeit, sowie Interdisziplinarität und Diversität. Dazu müssen wir (Europäer_innen) wissen, was wir eigentlich wollen und wo wir hinwollen. Wollen wir uns an den großen US-Playern aus dem Silicon Valley orientieren oder unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen? In welcher digitalen Welt wollen wir leben? Die Podiumsgäste zitieren dabei Einstein und Lincoln:

In der Mitte von Schwierigkeiten liegen die Möglichkeiten.“ – Albert Einstein

Der beste Weg die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten.“ – Abraham Lincoln

Fazit: Es liegt an uns die Digitalisierung ganzheitlich zu gestalten, beispielsweise durch eine gut ausgebaute digitale Infrastruktur. An der Digitalisierung ist an und für sich nichts Bedrohliches, wir müssen nur lernen damit umzugehen – so wie der Mensch gelernt hat, dass Feuer nicht nur eine Gefahr darstellen, sondern auch zahlreiche Vorteile mit sich bringen kann.