Nachlese Digitalk „Digitalstandpunkte EU Wahl“

Team Politik

Die digitale Transformation nimmt einen immer wichtigeren Platz in unserem Leben ein und stellt unterschiedliche Bereiche unseres Lebens vor neue Herausforderungen. Unser April-Digitalk am 03.04. beschäftigte sich mit dem Thema “Digitalstandpunkte EU Wahl” aus dem Themenbereich Politik & Verwaltung. Die Veranstaltung war mit 49 Besucher_innen sehr gut besucht und fast ausgebucht. Das Feedback war sowohl von den Panel Teilnehmer_innen, als auch vom Publikum ausgezeichnet. Herzlichen Dank an alle Diskutant_innen und an das Publikum für die sehr aktive Teilnahme. Für alle, die diesen Digitalk leider verpasst haben, hier eine Zusammenfassung und die Veranstaltung zum Nachsehen als ungekürztes Video.

Am 26. Mai 2019 findet in Österreich die Europawahl statt. Zum bereits neunten Mal wird das Europäische Parlament bei dieser Wahl direkt gewählt. Dieser Digitalk war dem hochaktuellen Thema der digitalen Transformation und den netzpolitischen Positionen der Parteien zu den wichtigsten Themen der Digitalisierung gewidmet. Vertreter_innen der Regierungsparteien haben ihre Positionen zu folgenden Themen dargelegt: digitale Infrastruktur, Bildung, digitale Grundrechte und Medien.

Die Podiumsgäste von links nach rechts: Stephanie Cox / JETZT, Klaus Handler / FPÖ, Werner Kogler / DIE GRÜNEN, Stefan Schennach / SPÖ, Niki Scherak / NEOS.
Nicht im Bild die Moderatorin Marion Breitschopf / Transparenzplattform „Meine Abgeordneten“, MediaClan.

Digitale Infrastruktur

Flächendeckende hochleistungsfähige Glasfaseranschlüsse sind in Österreich teure Mangelware. Das zeigt sich an dem europäischen Ranking: Österreich bildet beim Glasfaserausbau mit 2,26% das Schlusslicht in der Europäischen Union. Eine traurige Bilanz für Österreich.

Quelle: OECD Prozentsatz des Glasfaseranschlusses an gesamten Festnetz Breitband Anschlüssen, Juni 2018

In einem Bericht des Europäischen Rechnungshofes aus 2018 „Versorgung mit 30Mbit/S in allen Mitgliedsstaaten in den Jahren 2011 und 2017“ schneidet Österreich wesentlich besser ab.

Die aktuelle Regierung hat sich hohe Ziele gesteckt: Österreich soll zu den 5G-Spitzenreiter Europas gehören. 5G ist das Mobilfunknetz der nächsten Generation. Das Problem, das sich daraus ergibt, ist, dass auch das Mobilfunknetz ein leistungsfähiges Glasfasernetzwerk als Basis benötigt. Zudem sind viele Anwendungsfälle durch Mobilnetze nicht abdeckbar (Serverbetrieb, Anbindung von Schulen, …). 5G ist also keine Lösung für den mangelnden Glasfaserausbau in Österreich. Zudem sind die Auswirkungen der 5G-Technologie auf die Gesundheit nicht bekannt und müssen erst erforscht werden.

Laut Aussagen der Diskutant_innen ist der massive Ausbau der Breitband-Infrastruktur in Österreich eine der höchsten Prioritäten der Parteien, denn schnelle und leistungsfähige Internetverbindungen werden für das Privat- und Berufsleben (Stichwort Homeoffice) immer wichtiger. Die Diskutant_innen sind sich einig, dass der Ausbau der Breitbandanschlüsse nicht nur in Ballungsräumen, sondern auch im ländlichen Raum zu forcieren ist. Förderungen sind an eine Ausbau-Pflicht am Land zu koppeln, um größte Erfolge zu erzielen. Die Verfügbarkeit von Breitband im ländlichen Raum ist auch Voraussetzung um die Abwanderung zu verlangsamen, in manchen Regionen eventuell auch zu stoppen.

Darüber hinaus wurde Kritik am österreichischen Föderalismus geübt. Dieser soll dafür verantwortlich sein, dass vorhandene Fördermittel – z.B. die Breitbandmilliarde – nicht abgerufen wurden.

An dieser Stelle wird auf die Wichtigkeit einer firmenneutralen Zusammenarbeit verwiesen, um den Wettbewerb zu fördern und keine Firmenmonopole zu erzeugen (Beispiel A1-Telekom). Beim Thema der freien Marktwirtschaft und des Wettbewerbs der digitalen Dienstleistungen gehen die Meinungen auseinander. So befürworten manche Parteien ein von öffentlichen Stellen betriebenes Netz, wie es auch beim Stromnetz, Gasnetz und Eisenbahnnetz der Fall ist. Konkurrierende Diensteanbieter könnten dann das Netz zu definierten Preisen mieten und ihre Dienstleistungen darauf aufsetzen.

Fazit: Alles in allem wird es Österreich nicht erspart bleiben, den Breitbandausbau zu forcieren. 5G allein ist hier nicht ausreichend. „Man muss es einfach machen und nicht nur reden“, vernimmt man vom Podium.

Bildung

Die digitale Transformation stellt ebenso den Bildungsbereich vor neue Herausforderungen. Mit welchen Auswirkungen kann hier gerechnet werden? Die Diskutant_innen sind sich einig, dass die ewige politische Debatte über die Nutzung von Tablets in Schulen an dieser Stelle nicht mit digitaler Bildung gleichgesetzt werden kann. In erster Linie müssen jungen Menschen Digitalisierungs- und Medienkompetenzen in ihrer schulischen Laufbahn vermittelt werden. Die digitalen Kompetenzen sollten den Schulkindern am besten so früh wie möglich mitgegeben werden, beispielsweise ab dem Volksschulalter.

Die digitale Transformation impliziert darüber hinaus die Forcierung sozialer Kompetenzen. Es wird immer wichtiger, dass Menschen jene Fähigkeiten stärken, zu welchen Maschinen (derzeit) nicht fähig sind – Empathie, Kreativität, ….

Wichtig ist zudem, dass Schulkindern mögliche negative Auswirkungen von digitalen Werkzeugen aufgezeigt werden. So beispielsweise Mobbing über soziale Netzwerke als auch vermehrtes Einsamkeitsgefühl und Verlust sozialer Kontakte aufgrund zu intensiver Nutzung von Smartphone/Tablet/Computer.

Überdies ist es von zentraler Bedeutung, das gesamte Lehrpersonal Österreichs entsprechend zu schulen. Eine verpflichtende Fortbildung für derzeitige als auch zukünftige Lehrer und Lehrerinnen ist ein absolutes Muss. Im Vordergrund steht an dieser Stelle, den Pädagogen und Pädagoginnen die Angst vor der digitalen Transformation zu nehmen. Bekanntermaßen sind diese mit ihrer Rolle der „digitalen Superhelden“ größtenteils überfordert.

Auch muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass der Zugang zu professioneller Ausbildung noch nie so einfach war, wie im digitalen Zeitalter. Heutzutage kann man sich über Plattformen lebenslang kostengünstig weiterbilden. Man muss nur lernbereit sein. Durch das Publikum wurde die Diskussion angeregt, ob das Konzept des mobilen Lernens nicht auch den Frontalunterricht in der Schule ersetzen könnte. So lernen heutzutage schon viele Schüler_innen über Onlineplattformen statt in der Schule.

Diese neuen und/oder zusätzlichen Möglichkeiten zum lernen bringen aber auch die Forderung nach kontrollierten Ausbildungsstandards/Zertifizierungen – „Ein Zeugnis muss etwas wert sein“.

Digitale Grundrechte

An diesem Punkt wird auf den Beschluss der neuen Urheberrechtsreform auf EU-Ebene in Bezug auf Meinungsfreiheit verwiesen.

Sogenannte Uploadfilter (Artikel 17, ursprünglich Artikel 13) sollen auf Plattformen, die „User Created Content“ erlauben (wie z.B. soziale Netzwerke, YouTube aber auch Wikipedia), Inhalte vor ihrer Veröffentlichung auf eine eventuelle Urheberrechtsverletzung prüfen. Die Kosten für die Erstellung und Wartung einer solchen Filtersoftware sind sehr hoch. Da Unternehmensgröße und Nutzerzahl der Plattformen eine Rolle spielen, wird diese neue Regelung in erster Linie kleine und mittlere Unternehmen sowie Startups hart treffen.

Quelle: https://derstandard.at/2000098032373/Was-das-neue-EU-Urheberrecht-fuer-die-Nutzer-bedeutet

Zu diesem Themenbereich spalten sich die Meinungen der Parteien. Von allen anwesenden Parteien wird der Uploadfilter abgelehnt (die FPÖ hat sich bei der Abstimmung im EU Parlament jedoch enthalten), da er großen Unternehmen zu viel Macht gäbe und dadurch auch Zensur ermöglicht werde. Zudem zeigt sich schon jetzt, dass diese Uploadfilter (die bei z.B. YouTube bereits jetzt im Einsatz sind) oft nicht korrekt funktionieren, und hochgeladene legale Inhalte entweder fälschlicherweise sperren oder – noch schlimmer – jemand anderem als dem Urheber die Einnahmen aus seinen eigenen Werken zugeschlagen werden.

Künstler_innen sollen für ihre Arbeit fair entlohnt und ihre Rechte geschützt werden, darin sind sich alle Diskutant_innen einig, jedoch wird dieses Ziel durch die Urheberrechtsreform nicht erreicht. Im Endeffekt werden nicht die Künstler_innen, sondern im Wesentlichen nur die Verwertungsgesellschaften Profit aus dieser Reform herausschlagen. Die erfolgreichsten Künstler_innen werden vom derzeitigen System überproportional bevorzugt.

Der Großteil der Diskutant_innen ist sich einig, dass es sich bei dieser Abstimmung um einen Sündenfall handle. Die Debatte über die Urheberrechtsreform wird in den nächsten Jahren noch weitergehen. Die Richtlinie muss noch von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Dafür sind zwei Jahre vorgesehen, bis 2021. In dieser Zeit will man an einem Gegenentwurf arbeiten und auch den EuGH anrufen, um gegen die Reform anzukämpfen.

An dieser Stelle wird auf junge Menschen, welche oft als politikverdrossen dargestellt werden, verwiesen. Gerade die Jungen haben sich europaweit intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt und gegen die neue EU-Urheberrechtsreform demonstriert. Werden diese jüngsten Entwicklungen helfen, mehr junge Menschen zu motivieren zur Europawahl zu gehen?

Medien

Die neue paneuropäische Partei „Volt“ setzt sich für die Schaffung einer gemeinsamen europäischen öffentlichen Rundfunk- und Medienplattform ein, um den Zugang europäischer Bürger und Bürgerinnen effektiver zu gestalten und die Informationsbeschaffung zu sichern. Ist eine solche Plattform notwendig?

Es wird darüber diskutiert, was mit dem Begriff „Medienplattform“ gemeint sein kann. Es könnte nicht nur Radio und Fernsehen gemeint sein, sondern auch ein europäisches soziales Netzwerk. Eine derartige Entwicklung betrachtet man als höchst wünschenswert und sollte als Starthilfe auch mit einer öffentlichen Finanzierung gefördert werden.

Der Bedarf für eine paneuropäische Rundfunkplattform wird nicht gesehen. Es wird auf die Regelungen der EBU (European Broadcasting Union) verwiesen.

Des Weiteren wird von der Mehrheit der Anwesenden befürwortet, dass die Unabhängigkeit des ORF durch gebührenfinanziertes Fernsehen und Radio weiterhin sichergestellt werden soll. Budgetfinanzierung würde zu einer stärkeren Abhängigkeit führen. In diesem Zusammenhang wird mehr Transparenz bei der Finanzierung von Medien gefordert. Es soll klar sein, wer welche Medien finanziert, wem sie gehören und woher das Geld fließt.

Außerdem wird mehr Transparenz in politischen Prozessen und Entscheidungen gefordert. Mehr Transparenz kann auch zu mehr Bürgerbeteiligung führen. Dies basiert auf dem Gedanken, dass die Europäische Union stärker zusammenwachsen soll – zu dem Zweck, dass sich die Staaten im Technologie- und Medienbereich stärker unterstützen können. So könnte sich Österreich beispielsweise an den Digitalisierungsstrategien anderer europäischer Länder orientieren und davon lernen.

Digital Society – eine große Bitte!

Die Digital Society ist ein von Firmen und Parteien unabhängiger Verein. Wir setzen uns mit dem Fokus der „Digitalen Transformation“ – für Bürger_innen und Unternehmen ein. Wir diskutieren mit engagierten Menschen innerhalb und außerhalb des Vereins, wo die digitale Welt hingehen soll und wie wir sie gestalten wollen. Unsere “Teams” bringen die besten Köpfe zusammen, identifizieren Herausforderungen, erarbeiten Lösungsmöglichkeiten und sammeln „Best Practices”.

Gemeinsam wollen wir nach unserem Motto “… changing the digital world together!” nichts weniger, als die Welt zu einem besseren Platz zu machen.

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