Wir, die Digital Society, erlauben uns, im Sinne unserer Ziele im Folgenden zu den o.g. Gesetzesentwürfen wie folgt Stellung zu nehmen.
Allgemeines
In den Gesetzesentwürfen werden folgende Änderungen vorgeschlagen:
- Aufhebung des grundrechtlich garantierten Briefgeheimnisses für Strafverfolgungsbehörden
- Ermächtigung zu technisch tief greifenden Eingriffen in Kommunikationssysteme zur Überwachung von Datenverkehr
- Übermittlung von personenbezogenen Daten aus sicherheitspolizeilichen Tätigkeiten an private Organisationen im Rahmen von Sicherheitsforen
- Ermächtigung zur uneingeschränkten personenbezogenen Auswertung von Daten aus der Verkehrsüberwachung (Section Control, elektronische Vignette) und Erstellung von Bewegungsprofilen
- Ermächtigung zur Auswertung beliebiger öffentlicher Videoaufzeichnungen
- “Quick-Freeze” für Telekommunikations-Verkehrsdaten
- Verpflichtung zur Identitätsfeststellung auch bei Wertkartenhandys
Alle diese Änderungen greifen – teilweise schwer – in Grundrechte ein. In den Wirkfolgen-abschätzungen werden nur finanzielle Auswirkungen behandelt. Auch die Erläuterungen gehen nur unzureichend auf die Grundrechtsproblematiken ein. Es fehlen genaue Analysen und Definitionen der erkannten Grundrechtseingriffe sowie Argumentationen, warum diese Eingriffe verhältnismäßig sind und an welchem Maßstab diese Verhältnismäßigkeit zu messen ist.
Weiters betreffen einige der neuen Regelungen neu umzusetzende technische Maßnahmen, die teilweise hochkomplexe tiefe Eingriffe in technische Systeme notwendig machen. Das Abhören eines analogen Telefons bestand früher im Anklemmen zweier Drähte. Heute muss Software an Sicherheitsbarrieren vorbei tief in mehrlagigen Protokoll-Stacks installiert werden, um Nach-richten unverschlüsselt abfangen zu können. Was im Gesetz mit ein paar Worten definiert wird erfordert unter Umständen technisches Fachwissen auf Weltniveau oder ist technisch gar nicht möglich, bringt hohe Sicherheitsrisiken mit sich oder erfordert einen erheblichen finanziellen Aufwand.
Es wird daher für die Zukunft empfohlen, sowohl detaillierte Wirkfolgenabschätzungen hinsichtlich der Einschränkung von Grundrechten durchzuführen wie auch bei technischen Themen im Vorfeld bereits genaue technische Machbarkeitsstudien und Konzepte zu erstellen, die eine Sicherheitsanalyse sowie eine Kostenabschätzung ermöglichen.
Fazit
Aus unserer Sicht gibt es in den Gesetzesnovellen eine ganze Reihe von einerseits zu verbessernden, andererseits schlichtweg abzulehnenden Änderungsvorschlägen. Da die gefundenen Defizite besonders im Bereich der Grundrechte gravierend sind, wird empfohlen, die Gesetzesvorschläge zurückzuziehen.
Generell zeigt es sich, dass die Vorgänge und notwendigen Analysen rund um Gesetzesvorschläge von der Anwendung mittlerweile gut etablierter Qualitätssicherungsmaßnahmen stark profitieren würden. Die Erweiterung von Wirkfolgenabschätzungen auf Grundrechte sowie gegebenenfalls die Erstellung von technischen Machbarkeitsstudien würden die Qualität der Entwürfe bereits im Vorfeld steigern.
DigiSociety-Stellungnahme-StPO-SPG-Novellen2017
Gemeinsamer offener Brief an die Abgeordneten des Nationalrates
- Über den Autor
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Roland Giersig ist Physiker, studiert Rechtswissenschaften, ist Sicherheitsexperte und Inhaber und Geschäftsführer der Firma SafeSec. Seine Anliegen sind besonders die Transparenz der öffentlichen Verwaltung und die Einhaltung der Grundrechte im digitalen Raum.
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