Seit letzter Woche liegt sie vor, die Broschüre der Österreichischen Bundesregierung, die die Digital Roadmap definieren soll. Schön, dass die Bundesregierung sich nunmehr mit dem Thema Digitalisierung beschäftigt. Nur, die Digitalisierung hat bereits in den späten 60er Jahren begonnen, daher hätte es durchaus schon früher einer politischen Strategie bedurft.

Bürgerbeteiligung?

Apropos Geschwindigkeit: In die Öffentlichkeit gelangt ist die Digital Roadmap Anfang 2016 am IKT Konvent 2016 der Internet Offensive Österreich. Dort wurde ein von verschiedensten Lobbyingorganisationen, Kammern und Ministerien zusammengetragenes Dokument als Diskussionsgrundlage prsentiert. Es war in diesem Papier relativ klar erahnbar, aus welcher Lobbying-Richtung welche Vorschläge gemacht wurden. Einen schalen Beigeschmack hatte bei dieser Veranstaltung das unverhohlene “Betteln” der Telekommunikationsunternehmen um mehr Geld. Ob es sinnvoll ist, dass sich die Bundesregierung eine derartige Veranstaltung von einer Lobbyingorganisation organisieren und bezahlen lässt?

Am IKT Konvent wurde dann ein Bürgerinnenbeteiligungsverfahren zur Digital Roadmap gestartet.

Bürgerbeteiligung!

Positiv in diesem Zusammenhang ist, dass es überhaupt ein Bürgerinnenbeteiligungsverfahren gegeben hat. Auch die technische Umsetzung war durchaus ambitioniert, es wurde die Plattform “Discuto” dafür verwendet. Das zugrunde liegende Dokument mit dieser Plattform zu kommentieren war jedoch alles andere als leicht. Technische Schwierigkeiten (Performance) behinderten den Prozess und es war zu merken, dass Lobbyingorganisationen auch online versuchten, durch personelle Überlegenheit mehr Platz in den Themen für sich zu beanspruchen. Die Digital Society hat damals in zwei Arbeitsgruppenmeetings Vorschläge für das Digital-Roadmap-Papier erarbeitet und in die “Discuto”-Plattform eingebracht. Auch ist einiges davon in unser Grünbuch eingeflossen.

Digital Roadmap Austria Logo Mit Ende März 2016 wurde dann das Bürgerbeteiligungsverfahren der Digital Roadmap geschlossen und in den letzten 9 Monaten die eingebrachten Themen zur Digital-Roadmap-Broschüre zusammengefasst. Zugegeben, über 2000 Kommentare aus der Zivilgesellschaft und den Lobbyorganisationen einzuarbeiten ist keine Kleinigkeit, und die dazugehörige Webseite ist übersichtlich und modern gemacht. Aber in unserer schnellebigen Zeit muss die Politik lernen, rascher zu agieren und einfachere und agilere Prozesse zu verwenden. In der Software-Entwicklung hat sich längst ein Continuous-Improvement-Prinzip, quasi ein “lebenslanges lernen” mit kontinuierlicher Weiterentwicklung durchgesetzt. Die Politik hingegen denkt noch in Release-Zyklen und Updates im 4-Jahres-Takt. Daran müssen wir arbeiten.

+ / Highlights der Digital Roadmap
– / Lowlights der Digital Roadmap
  • Leitprinzipien der Roadmap für die Politik.
  • Klare Bekenntnis zur Netzneutralität.
  • Es wird endlich ein Fokus auf die Leerverrohrung als Grundlage für die Netzanbindung gelegt.
  • Reform der Presseförderung, um Qualität und Vielfalt der Medien unter Berücksichtigung der Digitalisierung zu fördern.
  • Datenschutz als Standortvorteil.
  • Vorantreiben von Open Data für Behörden.

 

 

  • Smartmeter wird ohne Sicherheits- und Datenschutzbedenken als Allheilmittel propagiert und weiter bedenkenlos vorangetrieben, obwohl die Stromversorgung klar zur kritischen Infrastruktur zählt.
  • Bildung muss ganzheitlicher und nicht nur auf die Schule fokussiert betrachtet werden (lebenslanges lernen).
  • 5G ist sicherlich gut und wichtig, allerdings nicht der einzige Heilsbringer.
  • FTTH / FTTB (Fiber to the Home / Fiber to the Building) muss mehr Augenmerk bekommen. Österreich ist Schlusslicht in der Breitbandanbindung.
  • Keine Erwähnung des notwendigen Abbaus bürokratischer Hürden.
  • Bürgerinnenbeteiligung muss ernst genommen werden und darf keine nachträgliche Rechtfertigung sein.
  • Weitere Forcierung von ELGA ohne die Datenschutzbedenken ernst zu nehmen ist hoch problematisch.
  • Kein Eingehen auf die gesellschaftlichen Herausforderungen der Digitalisierung.

 

Postscriptum: An diesem Beispiel kann man sehen, wie wichtig eine Beteiligung der Zivilgesellschaft an richtungsweisenden politischen Prozessen ist. Oftmals stellt sich das Problem, dass große Konzerne und Lobbyingorganisationen viel mehr Ressourcen zur Verfügung haben, um solche Prozesse zu begleiten und auf sie einzuwirken. Im obigen Fall waren es vor allem die großen Telekommunikationskonzerne, die sich mit deutlich mehr Wortmeldungen einbringen konnten. Das Ziel der Digital Society ist es, für die Gesellschaft als Ganzes zu arbeiten, ohne einzelne Gruppen zu bevorzugen. Dafür brauchen wir jedoch Ihre Unterstützung in Form einer Spende oder Mitgliedschaft. Danke.