Nationalratspräsident Sobotka denkt darüber nach, ob die vom Roten Kreuz mit Finanzierung der Uniqa Versicherung erstellte Stopp Corona App verpflichtend werden könnte.
Menschen, die die App nicht auf Ihrem Smartphone installiert haben, könnte die Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden. Derzeit werde geprüft, ob das verfassungsrechtlich möglich sei.
Funktionsweise der App:
Die App sendet über den Lautsprecher des Mikrofons Signale aus, die nur von anderen Stopp-Corona Apps in der Umgebung gehört werden können. Es wird ein “digitaler Handshake” zwischen den beiden Smartphones aufgezeichnet, und die App weiß dann anonym, dass zwei Personen sich nahe gekommen sind.
Wenn jemand an COVID-19 erkrankt, dann trägt er das in seiner App ein – und alle Personen, die seinem Handy in den letzten 48 Stunden nahe gekommen sind, werden dann davon informiert und können sich dann in Selbstisolation begeben.
Es werden keine Personenbezogenen Daten ausgetauscht, und die informierten Personen wissen auch nicht welcher Ihrer Kontakte krank geworden ist.
Kritikpunkte an der App
Die NGO epicenter.works hat die App einer gründlichen Untersuchung unterzogen und rät von einem Einsatz der App ab, obwohl sie auch konstatiert, dass bei der Entwicklung der App auch einiges richtig gemacht wurde. Die Kollegen von epicenter.works kritisieren folgende Punkte:
- Falsche Sicherheit
Es gibt bedenken, dass Personen welche die App installieren, sich in falscher Sicherheit wiegen. Es muss deutlich aufgeklärt werden, was die App kann und was sie nicht leisten kann. - Finanzierung
Die App wird von der Uniqa Stiftung finanziert. Uniqa ist ein Versicherer, der auch Krankenversicherungen anbietet. Hier kann es einen Interessenskonflikt geben, denn anders als das Rote Kreuz, wären für die Uniqa Gesundheitsdaten von (potenziellen) Kunden von Nutzen. - Quellcode Veröffentlichung
Da der Quellcode der App nicht verfügbar ist, kann man den Angaben der Entwickler nur vertrauen. Es kann nicht überprüft werden, ob in der App Dinge passieren, von denen der Nutzer nichts weiß. - Audit
Die Veröffentlichung des Quellcodes alleine nützt noch nicht viel, denn der Benutzer kann davon noch nicht die Sicherheit der App ableiten. Hier wäre eine unabhängige Prüfung und Zertifizierung von Sicherheitsexperten notwendig. - Datenschutz-Folgenabschätzung
Wenn diese Schritte erfolgt sind, muss aufgrund der Datenschutz Grundverordnung (da es sich hier um sensible Gesundheitsdaten handelt) eine Datenschutz – Folgeabschätzung durchgeführt werden.
Rechtliche Fragestellungen
Offensichtlich wird überlegt, ob für Bürger, die die App auf ihrem Handy haben die Ausgangsbeschränkungen gelockert werden – für andere nicht.
Hier stellt sich viele Fragen:
- Dürfen nur Menschen ausgehen, die über ein Smartphone verfügen?
- Müssen Menschen ein Smartphone von Google oder Apple kaufen um ausgehen zu dürfen?
Was wäre mit Menschen, die wie mehrere hundert Polizisten noch immer über ein Microsoft Smartphone verfügen? - Wie soll überprüft werden, ob jemand der im öffentlichen Raum unterwegs ist, die Smartphone App installiert hat?
- Wenn jemand als Dienstnehmer über kein Smartphone verfügt. Muss er dann weiterhin im Homeoffice arbeiten und welche Konsequenzen ergeben sich dadurch?
Die Digital Society ist über diese Entwicklungen äußerst beunruhigt. Solange nicht sichergestellt ist, dass die Applikation des roten Kreuzes allen Sicherheits- und Datenschutzanforderungen entspricht können wir nur davon abraten, diese App zu installieren. Wir haben auch große Bedenken, dass die Einschränkungen der Grund- und Freiheitsrechte der Bürger nun radikal weiter ausgebaut werden und auch nach der Krise (wann wird diese beendet sein) weiter Bestand haben werden.
- Über den Autor
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Werner Illsinger ist systemischer Coach, Unternehmensberater sowie Lektor an der FH-Kärnten. Sein Herzensanliegen ist es, dass Arbeit Spaß macht.
Neben den hier oben angeführten technisch/organistorischen Fragestellungen der App selbst bzw. ihres Betriebes, wurde die Frage noch nicht beantwortet, welchen Beitrag diese App überhaupt zur Bekaämpfung der Virus-Ausbreitung leisten kann, wenn die Anwender dieser App unter Umständen gar nie erfahren (bzw. beobachten) ob sie selbst Träger des Virus sind und damit für andere ansteckend sein könnten.
Denn von 8,8 Millionen Bewohnern in Österreich sind aktuell (heute) lediglich 8.990 Personen offiziell als infiziert erkannt.
Täglich können derzeit (falls diese Zahl noch aktuell sein sollte) maximal 3.000 Tests durchgeführt werden. Die insgesamt – inklusive privater Institute – verfügbare Laborkapazität würde bei ca. 15.000 Tests liegen, die aber leider nicht genutzt werden kann, weil die erforderlichen Reagenzien zur Durchführung der Tests nicht in dafür ausreichenden Mengen verfügbar sind. Mit der derzeit verfügbaren Testkapazität kann nicht einmal das medizinische Personal in Krankenhäusern und Pflegeinrichtungen im erforderlivchen Ausmaß getestet werden.
Wie soll da jemand ohne medizische Tests – gerade in Zeiten gleichzeitig grassierender (und mehr oder weniger agressiver) Grippewellen tatsächlich nur durch eigene Beobachtung unterscheiden können, ob er nur einen Schnupfen, eine Grippe, “seinen” Raucherhusten, eine Pollen-/Staub-Allergie oder die gefährliche (da nicht behandelbare) Virusinfektion hat ?
Über diese App wird daher vermutlich auch bei zukünftig grassierenden gefährlichen Virusinfektionen gar niemand verständigt werden müssen,
weil dann zufällig gerade keine Grippewelle zu beobachten ist und gerade kein starker Pollenflug herrscht und auch zukünftige Virusinfektionen von den meisten Infizierten gar nich bemerkt werden,
oder die Symptome zukünftiger Virusinfektionen sind von anderen häufig auftretenden Infektionen ohne genaue medizinische Diagnose gar nicht unterscheidbar und es würde dann fast jeder App-Nutzer glauben, mit dem Virus infiziert zu sein.
In beiden Fällen
kein App-Nutzer merkt etwas von seiner Infektion , bzw.
jeder App-Nutzer glaubt, mit dem Virus infiziert zu sein,
ist definitiv kein medizinischer Nutzen durch ein technisches Kontakt-Tracing zu erwarten – weil
entweder gar keine Verständigungen ausgelöst werden ( da scheinbar niemand erkrankt ) bzw.
jede Kontaktliste ( also alle ) verständigt bzw. gewarnt werden, aber sich ohnehin alle (auch aus verschiedenen anderen Gründen ) schon krank fühlen.
Etwas anders gelagert ist die Situation, wenn tatsächlich jeder unserer 8,8 Millionen Einwohner mehrfach ( regelmäßig im Abstand von mehreren Tagen) getestet werden könnte:
Wenn das Ergebnis jedes einzelnen Tests innerhalb der beobachteten Inkubationszeit (aber in wesentlich kürzerer Frist, als die Inkubationszeit dauert ) jedem Getesteten bekannt gegeben werden könnte und damit gleichzeitig auch alle Kontaktpersonen verständigt werden könnten,
dann – und nur dann – könnte eine Tracking App einen Beitrag zur Bekämpfung der Virusausbreitung liefern.
Und diese Einschätzung hat gar nichts mit der Herkunft (dem Hersteller/Betreiber) der App, irgendwelchen technischen Unzulänglichkeiten der Ermittlung Erfassung von “zu nahen” Kontakten oder gesetzlichen Vorschriften ( wie z.B. Datenschutz) zu tun.
Wie unrealistisch die Voraussetzung flächendeckender für die gesamte Bevölkerung regelmäßig wiederkehrender Tests ( jeder Einzelperson ) heute ist – und wohl auch immer bleiben wird, braucht wohl nicht explizit betont zu werden, dafür genügt es, die derzeit regelmäßig stattfindenden Pressekonferenzen der Verantwortlichen – nicht nur hier bei uns in Österreich – zu verfolgen.
Genauso unrealistisch ist es daher zu glauben, unter diesen Bedingungen von solchen Tracking-Apps irgendeinen sinnvollen Beitrag zur Bekämpfung der Virusausbreitung erwarten zu dürfen.
Lieber Erich,
Ich würde Dich ersuchen bei Deinen Ausführungen auf die Kürze zu sehen. Ich schrecke zurück, wenn ich so lange Postings sehe und tendiere dazu es gar nicht mehr zu lesen.
Es ist unbestritten, dass die App einen Beitrag leisten kann – wenn sie auch keine Sicherheit geben kann (und keine falsche Sicherheit verbreiten sollte – siehe auch den ursprünglichen Beitrag der auch das thematisiert). Wenn jemand seine Kontakte warnen kann, dass er erkrankt ist, ist das unbestritten hilfreich. Derzeit wird diese Arbeit manuell durch die Polizei erbracht, was bei den hohen Krankheitszahlen gar nicht mehr möglich ist.
LG Werner
Vizekanzler Kogler hat gestern klar gestellt, dass die App nicht verpflichtend kommen wird, während Bundeskanzler Kurz sie einführen will und über “Schlüsselanhänger” für nicht Smartphone Besitzer nachdenkt.
Die Geschichte dürfte also nicht ganz abgesprochen sein, in der Koalition
Zum Vorwurf der “unnötigen” Länge meiner Beiträge:
Es gibt halt Themen, die eignen sich nicht für Twitter-Stil – oder die Darstellung in Hochglanz-Marketing-Broschüren .
Wenn hier (z.B. in Kommentaren, wie auch diesem hier) nicht ausführlich und – um Missverständnisse zu vermeiden – auch ausreichend lang Ergänzungen angebracht und Gedanken dargestellt werden können, wo denn dann ?
Bei irgendwelchen Vorträgen (nicht nur in unseren Vereinsräumen) können nicht alle am Thema Interssierten teilnehmen , ist die Zeit für (gemeinsame) Diskussion und Gedankenaustausch naturgemäß immer beschränkt und kommen Ideen zu Diskussionsbeiträgen vielleicht erst Tage nach der Veranstaltung und ist es nicht jdermanns Stärke, “aus dem Stegreif” auf einen Diskussionsbeitrag auch allgemein verständlich antworten zu können.
Natürlich gibt es dann noch (ausführliche) Studien zu manchen Themen – die haben aber ebenfalls eine sehr geringe (öffentliche) Reichweite – beschränkt nur auf das jeweilge Fachpublikum der Wissenschaftler bzw. Techniker. Zufolge der formalen Vorschriften für die Strukturierung des Inhaltes solcher Studien befinden sich dort dann z.B. 4 Zeilen mit vielleicht “brisantem” Inhalt irgendwo zwichen Anfang der Seite 15 und Ende der Seite 16 ( nur als Beispiel) und werden daher von der Öffentlichkeit außerhalb der wissenschaftlichen Institutionen nicht gelesen und noch weniger verstanden – falls solche Studien überhaupt öffentlich zugänglich sind.
Dann haben wir – zumindest manchmal noch – Artikel in Tageszeitungen und Zeitschriften , die auch uns wichtig/interessant erscheinende Themen behandeln – die aber bei entsprechender Komplexität (und passender “Blattlinie”) auch nicht gerade kurz sind und daher vermutlich genauso wenig gelesen (und verstanden) werden, wie manche meiner Beiträge hier.