Mich hat heute folgendes E-Mail erreicht, als Reaktion zu unserer Einladung zum Digitalk am 5.6. zum Thema “Digitalk: Medienfinanzierung im Zeitalter der Digitalisierung”:

dieser “investigative Journalismus” ist beileibe nicht das, was in einer Demokratie wichtig ist. Im Gegenteil, das war eine klar strafbare Handlung; das Abhören von Abgeordneten ist eigentlich Hochverrat und natürlich ein krasser Verstoß gegen den Datenschutz, auch die Veröffentlichung in der Art, wie sie erfolgt ist.

Ich verstehe nciht, wie jemand, der sich sonst für Datenschutz einsetzt, alles über Bord wirft, wenn es der richtigen Seite nutzt!

Meiner Meinung nach wird hier etwas gänzlich missverstanden. Amtsträger der Republik haben in ihrer Funktion die Interessen der Bürger_innen wahrzunehmen. Die Bürger_innen haben ein Recht darauf zu erfahren, wie diese Amtsträger mit der ihnen anvertrauten Verantwortung umgehen.

Die Frage, wie dieses Video mit Vizekanzler Strache und Vizebürgermeister Gudenus zustande gekommen ist, ist für die derzeitige Debatte vollkommen nebensächlich. Es existiert und die beiden oben genannten Herren bestreiten auch nicht, dass es authentisch ist. Die Medien haben sich auch die notwendige Mühe gegeben, das vor Veröffentlichung zu prüfen.

Die beiden Herrschaften haben natürlich ein Recht darauf, dass ihre Privatsphäre gewahrt wird. Auch darauf haben die Journalisten so weit wie möglich Rücksicht genommen. Es wurden nur rund 5 Minuten von 7 Stunden Videomaterial veröffentlicht. Die ausgewählten Passagen hatten allesamt mit ihren politischen Funktionen zu tun und ihrer Sichtweise, wie man das Amt versteht, und wie man mit öffentlichen Geldern, die einem anvertraut werden könnten, umgehen würde. Es wurden keine privaten Details, die im Video sicherlich enthalten waren, veröffentlicht. Die Journalisten sind hier sehr sorgsam vorgegangen. Bürger sollen, wenn sie zur Wahlurne schreiten, wissen, welche Geisteshaltung öffentliche Amtsträger haben.

Das führt uns zu Grundsätzen der Digital Society:

Die Privatsphäre der Bürger_innen muss geschützt werden

Wir setzen uns für den Schutz der Privatsphäre der Bürger_innen ein. Eine Demokratie kann nur dann funktionieren, wenn die Privatsphäre der Bürger_innen gewahrt bleibt, und wenn sich Meinungen unbeeinflusst und unbeobachtet bilden können. Jeder Bürger und jede Bürgerin hat das Recht, seine/ihre Meinung zu äußern, und es muss auch gewährleistet sein, dass sich aus einer Meinungsäußerung keine negativen Konsequenzen ableiten. Wenn man bei der Meinungsäußerung vorsichtig sein muss, dann verhindert das einen offenen Diskurs.

Viele der Überwachungsgesetze, die in den letzten Jahren beschlossen wurden, verletzen diesen Grundsatz. Der Staat hat in einer freien demokratischen Gesellschaft erst das Recht Bürger_innen zu überwachen, wenn ein Anfangsverdacht vorliegt und ein Gericht die Überwachung von Bürgern verfügt.

Der Staat muss transparent werden

Wir Bürger und Bürgerinnen sind die “Chefs” des Staates. In der österreichischen Bundesverfassung steht: “Österreich ist eine demokratische Republik – Ihr Recht geht vom Volk aus”. Die Politiker und die Verwaltung sind unsere Angestellten. Damit wir Bürger aber überhaupt die Möglichkeit haben die Rolle des “Chefs” wahrzunehmen, benötigen wir Transparenz in den Vorgängen der Republik. Wenn es beispielsweise gänzlich transparent wäre, wie in Österreich die Beschaffung im Bereich von öffentlichen Aufträgen funktioniert, dann könnte jemand gar nicht anbieten, etwas zu überhöhten Preisen einzukaufen, denn das wäre öffentlich nachvollziehbar. Bei Großaufträgen ist es das (dank der EU) bereits so, Aufträge unter € 100.000 können jedoch (noch) “freihändig” vergeben werden.

Österreich hat im Bereich der Transparenz einen großen Aufholbedarf. Dort, wo Intransparenz herrscht und Menschen Macht haben, kommt es unweigerlich zu Korruption.

Österreich ist das letzte Land in Europa, in dem es noch ein Amtsgeheimnis gibt. Die Parteien haben zwar zugesagt, dies ändern zu wollen, aber mehr als Lippenbekenntnisse gab es bisher nicht.

Wir haben ein lasches Parteienfinanzierungsgesetz, das der Rechnungshof scharf kritisiert. Im Grunde ist das Konstrukt, im Video mit Vereinen die Spenden zu lukrieren und für parteinahe Aktivitäten auszugeben zwar illegal, aber auch gang und gebe. Niemand kann nachvollziehen, wer an diese Vereine spendet, weil die Vereine formal unabhängig sind und Vergehen im Bereich der Parteienfinanzierung keine strafbare Handlung sind. Daher kann ein Staatsanwalt auch keine Kontenöffnung im Verdachtsfall anordnen.

In Österreich ist zwar das Budget sehr transparent (also wir wissen, wie viel der Bund ausgeben möchte), die Ausgaben sind jedoch vollkommen intransparent. Wir können daher nicht nachvollziehen, ob die Budgets auch nur annähernd eingehalten wurden, und warum sie überzogen wurden.

Die “Räubergeschichten”, die Herr Strache erzählt hat, sind also alle im Bereich des Machbaren – eben weil in Österreich die Transparenz fehlt. Es würde also wundern, wenn nicht auch Teile dieser “Räubergeschichten” tatsächlich passieren.

Unser Bundespräsident fordert, das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik wieder herzustellen. Ohne schonungslose Transparenz sowohl im politischen Prozess (Entstehung von Gesetzen) als auch im Verwaltungsbereich (vor allem im Bereich der Staatsfinanzen) wird es aber enorm schwierig werden, das Vertrauen der Bevölkerung wiederzugewinnen.

Investigativer Journalismus

Ohne diese vollständige Transparenz ist die einzige Möglichkeit korrupte Politiker zu überführen, sie “mit rauchendem Colt” zu erwischen. Dies ist beispielsweise beim früheren Innenminister Strasser passiert und das Gleiche ist jetzt den beiden oben genannten in Ibiza passiert.  Unsere Haltung hat nichts mit Parteizugehörigkeit zu tun. Politiker mit einer Geisteshaltung wie Strasser, Gudenus oder Strache haben in der Politik nichts verloren.

Journalisten haben die Pflicht, uns über Machenschaften von Politikern zu informieren. Sie sind, solange wir keine Transparenzgesetze haben, die einzige Chance, uns Bürger informiert zu halten, welche Politiker ihren Job ernst nehmen und für uns arbeiten oder so wie Strache und Gudenus uns verkaufen wollen.

Wie kritischer investigativer Journalismus unterstützt und finanziert werden kann, ist daher besonders wichtig und wir beschäftigen uns damit bei unserem nächsten Digitalk am 5.6.
https://digisociety.ngo/veranstaltungen/medienfinanzierung/

Digital Society – eine große Bitte!

Die Digital Society ist ein von Firmen und Parteien unabhängiger Verein. Wir setzen uns mit dem Fokus der „Digitalen Transformation“ – für Bürger_innen und Unternehmen ein. Wir diskutieren mit engagierten Menschen innerhalb und außerhalb des Vereins, wo die digitale Welt hingehen soll und wie wir sie gestalten wollen. Unsere “Teams” bringen die besten Köpfe zusammen, identifizieren Herausforderungen, erarbeiten Lösungsmöglichkeiten und sammeln „Best Practices”.

Gemeinsam wollen wir nach unserem Motto “… changing the digital world together!” nichts weniger, als die Welt zu einem besseren Platz zu machen.

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Werner Illsinger

Präsident bei Digital Society
Werner Illsinger ist systemischer Coach, Unternehmensberater sowie Lektor an der FH-Kärnten. Sein Herzensanliegen ist es, dass Arbeit Spaß macht.
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