Die Digital Society kritisiert das von der Regierung geplante “Bundesgesetz für Sorgfalt im Netz” scharf. Die Maßnahmen im Gesetzesentwurf verfehlen das selbst gesteckte Ziel der Gleichbehandlung von “digitaler Welt” und “real gelebter Welt”. Im Gegenteil werden dadurch neue Ungleichheiten eingeführt. Die geplanten Maßnahmen werden zu keiner Verminderung von “Hass im Netz” führen. Sie sind überschießend, unverhältnismäßig und desaströs für Meinungsfreiheit und Demokratie in Österreich.

Unsere Hauptkritikpunkte sind:

Anonymität führt nicht zu “Hass im Netz”

Es ist wissenschaftlich nicht bewiesen, dass Anonymität zu “Hass im Netz” führt. Im Gegenteil, wissenschaftliche Studien belegen, dass die Mehrzahl der Hassäußerungen im Netz von Benutzern mit Klarnamen getätigt werden. Die Postenden tun das aus einem Gefühl der moralischen Überlegenheit heraus und stehen auch zu ihren Postings.

In manchen Fällen ist aber Anonymität unabdingbar. Würden sie gerne eine Swinger-Plattform im Netz verwenden, bei der Sie alle persönlichen Daten inklusive sexueller Präferenzen vorab preisgeben müssen? Würden Sie gerne eine Gesundheits-Plattform verwenden und über ihre Krankheiten reden, wenn sie vorab dem Betreiber einen Ausweis schicken müssen? Wir müssen aber nicht einmal so weit gehen. Würden Sie politische Meinungen diskutieren wollen, wenn der Betreiber der Plattform dann ihre politischen Präferenzen ihrer wahren Identität zuordnen kann?

Es gibt auch auf kleinen Plattformen “Hass im Netz”

Kleine Plattformen (nach Benutzerzahlen sowie Umsatz) sollen von den Regelungen ausgenommen werden. Es gibt jedoch auch “kleine” Plattformen, auf denen in Österreich ein sehr raues und beleidigendes Klima herrscht. Es ist daher unlogisch diese auszunehmen. Zudem ist nicht einzusehen, dass Plattformen, die Medienförderung erhalten, von den Regeln erfasst werden sollen, solche – in denen öffentliche Inserate geschaltet werden – aber nicht.

Implementierung völlig unklar, widersprüchlich und konfus

Die technischen Vorgaben im Gesetz sind auf der einen Seite völlig unklar, zum anderen auch anderen Gesetzen widersprechend. Es wird daher große Rechtsunsicherheit für die Betreiber solcher Plattformen geben, zum anderen auch schwere Probleme mit der Einhaltung der DSGVO. Das Gesetz widerspricht hier den Anforderungen der DSGVO hinsichtlich Datensparsamkeit. Es widerspricht den Regelungen für Telekommunikationsanbieter zum Thema Herausgabe von Benutzerdaten. In großen Bereichen ähnelt es der vom Europäischen Gerichtshof schon gekippten “Vorratsdatenspeicherung”, denn es werden von unbescholtenen Bürgern auf “Vorrat” Daten gesammelt – ohne dass überhaupt eine Gesetzesübertretung stattgefunden hat.

Katastrophale Außenwirkung

Wir sprechen immer wieder darüber, dass Österreich zu einem Digitalisierungs-Musterland werden möchte. Dieser Gesetzesentwurf bewirkt genau das Gegenteil. Benutzer, die aus dem Ausland auf österreichische Foren zugreifen, müssten sich in Österreich legitimieren – wie ist vollkommen unklar. Aber auch Ausländer, die sich in Österreich aufhalten, müssten sich legitimieren, wenn sie österreichische Diskussions-Plattformen benutzen möchten. Das wird in vielen Fällen gar nicht möglich sein, wenn man unterwegs ist. Das wird sowohl deutschsprachige Urlauber treffen, aber auch andere Besucher wie Kongressbesucher etc. die sich auf österreichischen Plattformen austauschen wollen.

Zum anderen werden manche Foren-Betreiber in Erwägung ziehen, ihr Service auf den größeren deutschsprachigen Raum auszurichten und ins Ausland abzuwandern.

Was wäre zu tun?

Die Digital Society begrüßt den Kampf gegen “Hass im Netz” ausdrücklich und unterstützt diesen auch. Das vorliegende Gesetz ist aber vollkommen untauglich dieses Ziel zu erreichen.

Für eine effektive Bekämpfung von Hass im Netz bedarf es einerseits einer stärkeren Verpflichtung der Plattform-Betreiber, herabwürdigende Nachrichten zu entfernen. Dies muss begleitet werden von einem leichtgewichtigeren Zugang zum Recht für Betroffene in Form von niederschwelligeren Verwaltungsstraftatbeständen – beispielsweise einer öffentlichkeitsunabhängigen Form der Beleidigung – begleitet von den Gerichten vorgelagerten Stellen, welche befugt sind, die Identitäten der Täter_innen auszuforschen und über diese Verwaltungsstrafen zu verhängen.

DigiSociety-Stellungnahme-Digitales-Vermummungsverbot

 

 

 

 

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Werner Illsinger

Präsident bei Digital Society
Werner Illsinger ist systemischer Coach, Unternehmensberater sowie Lektor an der FH-Kärnten. Sein Herzensanliegen ist es, dass Arbeit Spaß macht.
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