Der ehemalige Vizekanzler und ÖVP Chef Reinhold Mitterlehner sagte im Zuge seiner Buchpräsentation, dass Österreich darauf zusteuere eine illiberale Demokratie zu werden.
Was ist eine illiberale Demokratie?
Wikipedia sagt dazu:
In einer illiberalen Demokratie schränkt eine demokratisch gewählten Regierung oder ein Staatsoberhaupt individuelle Freiheiten und Grundrechte ein. Dies kann geschehen, wenn die Verfassung des Staates keinen Schutz dieser Freiheiten festschreibt oder das Regime sich ich über sie hinwegsetzt. Grund dafür ist die Annahme der regierenden Gruppierung, dass sie durch die Wahl von der Bevölkerung ermächtigt wurde, so zu handeln, wie sie es für richtig hält, ohne Rücksicht auf bestehende Gesetze, solange sie nur regelmäßig Wahlen abhält.
Warum steuert Österreich darauf zu, eine illiberale Demokratie zu sein?
Wenn wir diese Definition heranziehen, dann werden wir einige Merkmale einer illiberalen Demokratie in Österreich finden:
- Einschränkung der Grund und Freiheitsrechte durch anlasslose Massenüberwachung
Wie in unserem gestrigen Blogpost aufgezeigt, hat die Regierung einige Überwachungsgesetze auf den Weg gebracht bzw. plant dies noch zu tun. Das reicht von der anlasslosen Überwachung der KFZ Kennzeichen bis hin zur neuesten Idee der Gesichtserkennung durch künstliche Intelligenz, das Abhören von Handygesprächen über s.g. IMSI Catcher und die Registrierung von SIM Karten bis hin zum neu geplanten “digitalen Vermummungsverbot”.
Hier muss erwähnt werden, dass diese Gesetze bereits in der großen Koalition (SPÖ/ÖVP) begonnen wurden. Die Scharfmacher dabei waren aber Innenministerin Mikl-Leitner (ÖVP) und Wolfgang Sobotka (ÖVP). Die SPÖ muss sich hier aber vorwerfen lassen, zumindest mitgespielt zu haben. - Pressefreiheit
Wir sehen immer wieder Aktionen der Regierung, die als Angriffe auf die Pressefreiheit gewertet werden können. Die Pressefreiheit ist ohnehin derzeit stark unter Druck, weil durch die digitale Transformation vielen Redaktionen Geld fehlt. Hier wird durch Inserate der öffentlichen Hand Abhängigkeit gefördert. Wer nicht spurt, bekommt kein Geld mehr. Dem ORF Reporter Enst Gelegs wird vom Stiftungsrat Steger (FPÖ) angedroht, wenn er nicht den Wünschen der Regierungspartei entsprechend berichtet, ihm der Vertrag nicht verlängert wird.
Die Diskussion um die ORF Gebühren (die zweifellos reformiert werden müssen) ist ebenfalls so zu werten, dass die ohnehin bereits große Abhängigkeit des ORF durch Steuerfinanzierung noch weiter erhöht werden soll.
Mit diesem Thema beschäftigen wir uns beim Digitalk im Mail zum Thema Medienfinanzierung.
Spannend ist hier auch, dass in vielen Fällen Journalisten diskreditiert werden (Stichwort “Lügenpresse”) oder selbst “Wahrheiten” mit parteinahen Medien erfunden werden. - Rütteln an der Menschenrechtskonvention
Der Sager von Innenminister Kickl, dass das Recht der Politik zu folgen hat, ist im Zusammenhang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK in zweifacher Weise beunruhigend. Nicht nur, dass hier an einer der wenigen Grundfesten Europas gerüttelt wird, wird auch die Gewaltentrennung hier infrage gestellt. Der Sager von Kickl war sicher nicht unüberlegt oder ist ihm passiert. Hier wurde absichtlich provoziert. Diese Aussage zeigt sehr klar, was als illiberale Demokratie definiert ist. Grundrechte werden infrage gestellt, und Kickl kündigt an, diese abzuschaffen, wenn sie der eigenen Politik im Weg sind. - Hetzen gegen den “Rand” der Gesellschaft
Es muss sich etwas ändern. Das war das Hauptmotiv der Wähler bei der letzten Nationalratswahl. Aber was? Österreich zählt zu den sichersten und reichsten Ländern der Welt. Uns geht es ausgesprochen gut. Damit Aktionen der Regierung legitimiert werden können, braucht es einen Grund. Wenn es keinen gibt, dann erfindet man eben einen. Die im ersten Punkt genannten Gesetze werden legitimiert, und zwar durch das “subjektive Sicherheitsgefühl”. Also das dumpfe Gefühl der Bevölkerung, dass es so viel Kriminalität gibt. Die Kriminalstatistik sagt etwas anderes. Nämlich, dass die Kriminalität generell sinkt. Mit zwei Ausnahmen: Cyberkriminalität und Wirtschaftskriminalität. Gerade für diese zwei Bereiche können “die Ausländer”, die immer herhalten müssen, wirklich nichts.
Da mittlerweile auch den meisten gedämmert haben müsste, dass seit mittlerweile Jahren kaum noch “Ausländer” zu uns kommen, haben wir einen neuen Schuldigen gefunden – die “Sozialschmarotzer”. Wir nehmen also denen, die ohnehin wenig haben, das wenige auch noch weg. Wir werden damit allerdings riskieren, dass die Kriminalitätsraten wieder steigen. Unlängst wurde eine über 80-jährige Frau in Wien verurteilt, weil sie im Supermarkt Packerlsuppe gestohlen hat. Ich mache mir Sorgen in einer Gesellschaft zu leben, wo Menschen nicht genügend Geld haben, um sich Essen zu leisten. Wenn Menschen in aussichtslose Situationen gebracht werden, dann werden sie sich so gut es möglich ist selbst helfen, sei es durch Diebstahl, Einbruch oder Raub. Aber hey, das können wir dann ja Nutzen, um weitere Repressionen gegen die eigene Bevölkerung einzuführen, denn es ist ja zu ihrem eigenen Schutz.
Es gibt einige Anzeichen auch in Österreich, dass wir uns auf eine illiberale Demokratie zubewegen. Einige Aspekte, wie wir sie aus Polen oder Ungarn kennen, fehlen aber noch (das soll aber keine Handlungsanleitung sein).
- Wahlrecht
In Ungarn wurde z.B. das Wahlrecht so abgeändert, dass Fidesz (die Volkspartei von Viktor Orban) Wahlen auch gewinnt, wenn sie gar keine Mehrheit mehr hat, bzw. mit 44,5% eine Verfassungsmehrheit bekommen hat. - Verfassungsgericht
In Polen hat man einfach unliebsame Verfassungsrichter frühzeitig pensioniert und durch eigene Leute ersetzt. Auch in Ungarn hat Orban das Verfassungsgericht de facto entmachtet
Die Verfassung ist zum Schutz der Bürger_innen vor der Macht der Regierenden da. Die Verfassung schützt also die Grund- und Freiheitsrechte der Bürger und Bürgerinnen.
Diese beiden Punkte sind daher besonders im Blickfeld illiberaler Demokratien: wer eine Verfassungsmehrheit hat, kann selbst Verfassungsgesetze beschließen. Auf Basis dieser Gesetze muss dann das Verfassungsgericht entscheiden. Wer beides in der Hand hat, kann also tun und lassen, was ihm beliebt.
Die Digital Society setzt sich dafür ein, dass die Digitalisierung nicht als Grund oder Anlass für Einschränkungen der Freiheitsrechte herangezogen wird. Die heute verfügbaren Technologien machen ja viele Dinge möglich, die früher nicht oder nur mit großem Aufwand umsetzbar gewesen wären: Massenüberwachung, Kennzeichenerfassung, Filtern von Inhalten und anderes mehr.
Wir sind:
- Fans der Demokratie
(Es wurden schon viele Staatsformen ausprobiert, aber noch keine bessere gefunden). - Verfechter unserer Freiheit und der damit zusammenhängenden Freiheitsrechte
Die Digitalisierung hat enorme neue Möglichkeiten gebracht. Wir wollen, dass diese positiv für die Menschen und nicht gegen uns genutzt wird. - Verfechter von Zusammenarbeit, nicht Konfrontation
Es hat sich in Jahrtausenden gezeigt, dass Kollaboration immer besser ist als Konfrontation. - Verfechter von Transparenz
Wir haben in Österreich noch immer als einziges Land Europas ein Amtsgeheimnis, statt eines Transparenzgesetzes. Alle Politiker bekennen sich zu Transparenz, es passiert aber nichts. Transparenz ermöglicht Kontrolle. Bürger_innen haben in einer Demokratie nur die Möglichkeit die Mächtigen zu kontrollieren, wenn sie auch die notwendigen Informationen dazu bekommen. - Verfechter von Partizipation
Bürger_innen müssen die Möglichkeit haben, sich bei anstehenden Entscheidungen einzubringen. Dafür ist Transparenz notwendig, denn ohne Informationen kann niemand entscheiden. Wir brauchen aber auch funktionierten Journalismus. - Unterstützer des unabhängigen Qualitätsjournalismus
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- Über den Autor
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Werner Illsinger ist systemischer Coach, Unternehmensberater sowie Lektor an der FH-Kärnten. Sein Herzensanliegen ist es, dass Arbeit Spaß macht.
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