Wir haben uns in der Digital Society Neujahrsklausur damit auseinandergesetzt, welche die wichtigsten Herausforderungen für die Menschen in der Digitalisierung sind. Es war eine lange Diskussion die zu folgendem Ergebnis geführt hat. Die Digital Society engagiert sich in Zukunft stärker im Bereich des Kerns unserer Gesellschaft. Es geht darum, dass die Digitale Transformation dazu genutzt wird, die Gesellschaft hin zum Positiven zu verändern. Derzeit beobachten wir in vielen Bereichen der Welt eher das Gegenteil. Die Welt steckt in der Krise.
Wir bemerken, dass sich in einigen Ländern die Welt hin zu “starken Männern” (Trump, Erdogan, Putin, …) entwickelt und auch von rechtsstaatlichen, demokratischen Standards entfernt. Eine Tendenz dazu ist durchaus auch in Mitteleuropa zu erkennen (z.B. Ungarn und Polen). All das ist demokratisch legitimiert. Unsere Welt ist sehr komplex geworden und die Menschen scheinen sich nach einfachen Lösungen zu sehnen, die es leider nicht gibt.
Donald Trump spricht ständig über Fake News und meint dabei meist die etablierte Presse. Diese kämpft durch die Digitale Transformation ohnehin mit Problemen der Finanzierung von Qualitätsjournalismus, weil die Einnahmen über Werbung fast vollständig wegbrechen. Meist kommen solche Fake News aber von fragwürdigen Quellen und Portalen. In Deutschland glauben immerhin 19% der Bevölkerung, dass den etablierten Medien nicht zu trauen ist und vertrauen lieber fragwürdigen Informationen auf Facebook.
Die Sicherheitsapparate vieler Länder bekommen immer mehr Befugnisse. Das wird getrieben durch die Terrorangst in den letzten Jahren. Die Innenminister aller Länder rufen nach immer mehr Überwachungsmaßnahmen um die Terrorgefahr abzuwenden und die Sicherheit für die Bürger zu erhöhen. Da unser Leben mittlerweile hochgradig digitalisiert ist, können exakte Profile von Bürgern angelegt werden. Ähnlich wie es Amazon oder Facebook tun, könnten auch die Behörden ihre Bürger in bestimmte Kategorien einteilen. Das wäre grundrechtswidrig – aber natürlich auch sehr praktisch um Andersdenkende im Blick zu behalten. Die DDR hätte große Freude mit den heutigen Technologien. Die Chinesische Regierung hat sie – sie legt genau solche Profile über die eigenen Bürger an (Social Scoring) – und teilt sie in gute und weniger gute ein.
Viele der oben genannten Phänomene werden durch die Digitale Transformation befeuert, teilweise auch ausgelöst. Unsere Welt ist irrsinnig schnell geworden. Die Zusammenhänge sehr komplex. Es gibt aber immer weniger Zeit um sie zu verstehen. Die Bürger ziehen sich teilweise aus dem politischen Leben zurück und möchten lieber ihre Ruhe haben (digitales Biedermeier).
Die Digital Society wirkt mit der Initiative #Citizen40 dem entgegen:
Für eine Teilnahme in der digitalen Welt sind folgende Punkte unumgänglich:
- Digitale Teilhabe
Alle Menschen müssen an der Gesellschaft teilnehmen können. Digitale Technologien bauen in einigen Bereichen Schranken ab. Es werden aber neue Schranken durch diese Technologien aufgebaut. Diese müssen wieder abgebaut werden – so dass allen eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben möglich ist. - Bildung
Unser Bildungssystem ist Ende der 1700er Jahre erfunden worden. Damals gab es ähnliche tiefgreifende Veränderungen wie heute. Die industrielle Revolution hat die Gesellschaft verändert. Davor war die Mehrheit der Erwerbstätigen Bauern, danach Fabrikarbeiter. Das Schulsystem sollte ausreichend gut geschulte Fabrikarbeiter produzieren. Das tut es noch heute. Heute sind aber vollkommen andere Qualitäten gefordert. - Meinungsbildung
Um sich eine Meinung bilden zu können, benötigen die Menschen datenbasierte objektive Information. Im Postfaktischen Zeitalter in dem wir leben, zählen Daten und Fakten nur wenig. Die etablierten Medien kämpfen mit Finanzierungsproblemen aufgrund des Wegfalls der Werbeeinnahmen. Die Sozialen Medien die diese Einnahmen nun bekommen, produzieren keine Inhalte mehr. Dadurch ist die vierte Gewalt im Staat (Medien) die der Kontrolle dient, derzeit (fast) ausgefallen. - Partizipation
Wenn Bürger ausreichend informiert sind, müssen sie auch die Chance haben Einfluss zu nehmen und aktiv in die politischen Prozesse eingebunden zu werden. Viele haben das Vertrauen in die Politik verloren und denken, dass man ohnehin nichts ändern kann. Dabei würden gerade neue Technologien ermöglichen die Bürger wieder intensiver in die politischen Entscheidungsprozesse einzubeziehen. - Geheime und freie Wahlen
Geheime und freie Wahlen sind das Rückgrat unserer Demokratie. Derzeit ist es nicht möglich elektronische Wahlen geheim abzuhalten. Zusätzlich gibt es mittels neuer Technologien auch mehr Möglichkeiten zu versuchen auf die Wähler gezielt einzuwirken.
Die Digital Society wird sich daher im Jahr 2018 verstärkt dem Thema Citizen 4.0 widmen und den Chancen, welche die Digitale Transformation bietet, um die Menschen wieder vom demokratischen Prozess zu begeistern.
- Über den Autor
- Artikel
Werner Illsinger ist systemischer Coach, Unternehmensberater sowie Lektor an der FH-Kärnten. Sein Herzensanliegen ist es, dass Arbeit Spaß macht.
Danke für diesen Artikel. Es wird eine spannende (digitale) Zukunft. Für die aktiv Eingebundenen, für die passiv betroffenen, die passiv Verweigerer und zuletzt die aktiven Gegner der Digitalisierung. Am Ende der Kette steht ein Mensch, der Nahrung benötigt. Noch lassen sich Bits und Bytes vom menschlichen Körper nicht verdauen. Behalten wir die Bedürfnisse der Menschen im Fokus. Zu leicht folgen wir dem digitalen Trend, brauchen wir das wirklich alles. ,-)
Die Digitalisierung kann man genauso wie die digitale Transformation nicht aufhalten. Menschen haben das schon früher versucht, und sind auch schon bei der Dampfmaschine gescheitert. Wir können (und wollen) also versuchen die Veränderungen positiv zu nutzen. Wir sind mitten in einer enormen Veränderung und können nur entscheiden, ob wir aktiv gestalten wollen, oder gestaltet werden.
Die Digitalisierung bringt viele Vorteile all jenen Personen und Gesellschaften, die es verstehen diese neuen Technologien richtig zu nutzen. Ich sehe es daher als Aufgabe der “Digital Society” und damit jenen derzeitigen und zukünftigen Mitgliedern dieses wichtige Thema positiv in Österreich voranzutreiben und die Community zu erweitern. Hier gilt es, in der Vergangenheit versäumtes, aufzuholen um den Anschluss nicht zu verlieren. Punkt 2 sehe ich daher für alle Schichten als Grundvoraussetzung, um die anderen Punkte rasch zu realisieren.
Bildung ist ein wichtiges Thema. Aber auch alle anderen Themen sind enorm wichtig. So sind derzeit z.B. auch gezielte Desinformation (Fake News) oder der Eindruck der Bürger nichts mehr beeinflussen zu können (keine Möglichkeit der Partizipation) enorm problematisch.
“Es geht darum, dass die Digitale Transformation dazu genutzt wird, die Gesellschaft hin zum Positiven zu verändern.”
Damit werden wir uns wohl oder übel auch mit politischen Ideologien auseinandersetzen müssen. Denn die Frage bleibt hier oben weiterhin unbeantwortet : Was ist “positiv”, für wen ist das “positiv” – bzw. nach welchen Kriterien soll das beurteilt werden ?
Ich glaube aber auch nicht, dass wir darum zu einem “politischen Stammtisch” werden müssen. Es sollte uns aber bewusst sein, das die Bezeichnung “positiv” auf alle möglichen ( und uns derzeit vielleicht – noch – als unmöglich erscheinenden) Entwicklungen angewendet werden könnte – es kommt dabei lediglich auf den jeweiligen Beurteiler an – und dessen Interessen, warum aus seiner Sicht eine Entwicklung als “positiv” (bzw. “wünschenswert”) zu bezeichnen ist.
“Freie Meinungsbildung benötigt objektive Information.”
Der Begriff “objektiv” ist hier genauso mit Vorsicht anzuwenden, wie der Begriff “positiv” !
Gerade in autoritären Staaten wird der Vorwurf der “mangelnden Objektivität” gerne verwendet, um die Vertreter anderslautender Meinungen zu desavouieren.
Und in “modernen” Medien, mit Bildwechseln und Themenwechseln im Sekundentakt, bleibt zumeist nicht genug Zeit und Raum, um komplexe Sachverhalte ausführlicher zu beleuchten. Andererseits ist auch zu befürchten, dass immer weniger Medienkonsumenten über ausreichend Zeit, Geduld und Wissen verfügen, sich vielleicht auch mit Themen/Meinungen/Aussagen abseits des gerade vorherrschenden Mainstreams auseinanderzusetzen.
“Die Digitalisierung kann man genauso wie die digitale Transformation nicht aufhalten.”
Diese Aussage würde ich so nicht unterschreiben; Es ist vielmehr stets die Frage zu stellen, was mit weiterer “Digitalisierung” erreicht werden soll – und zu prüfen , was dann auch tatsächlich damit erreicht wurde .
Gerade im Bereich der Grundschulen gibt es immer wieder Hinweise, dass dort – als Hilfsmittel im Unterricht – Digitalisierung bzw. digitale Transformation eher wenig hilfreich bis möglicherweise sogar kontraproduktiv sein könnte.
Und auch im Sozialbereich scheinen manche Projekte, die menschliche Zuwendung, Fürsorge und Kontakte durch Maschinen ( humanoide Roboter) ersetzen wollen, eher problematisch zu sein. Ich persönlich würde solche Projekte sogar in der Nähe von Betrug/absichtlicher Täuschung einordnen.
Und worin der positive Effekt der Digitalisiserung bestehen soll, wenn die andere Seite der Medaille uns eine Zukunft zeigt, in der – auch in unseren Breiten – jeder 2. heute noch beschäftigte Arbeitnehmer arbeitslos – und damit möglicherweise für immer mehr Enscheidungsträger auch “unnötig” – werden könnte, kann ich beim besten Willen nicht erkennen.
Ich glaube aber, dass wir – trotz meiner eher pessimistischen Einschätzung der immerhin schon seit mehr als 40 Jahren anhaltenden Entwicklungen rund um “Digitalisierung” und “die digitale Transformation” – verpflichtet sind, uns gemeinsam mit anderen Organisationen – insbesondere der “Zivilgesellschaft” – dafür einzusetzen, dass befürchtete negative Entwicklungen bzw. Auswirkungen wenigstens etwas abgeschwächt werden können.
Ich finde das eine gute, wenn auch wieder sehr breite Ausrichtung, mich interessieren (traditionell) die Bereiche Bildung und Medien am meisten. Was ich bei allem was wir tun beachten würde: nicht zu sehr den Fokus auf dem negativen zu haben, ich war bei der Präsentation dieser EU Internetinitiative und der anwesende Kulturpessimismus der mittelalterlichen Männer dort war eher atemberaubend als motivierend. Sonst zieh ich mich auch ins digitale Biedermeier zurück. 🙂
Ein ganz wichtiges Anliegen wäre mir auch die Beschäftigung mit dem Thema “aggregierte Daten” (statistische Daten aus Einzel- (auch personenbezogenen) Daten generiert), da hab ich das Gefühl, dass das eine kommendes, Big-Data Thema ist, aber noch kaum in der Diskussion angekommen.
Hallo Lena,
Danke für das Feedback. Positiv denken, dafür sein, nicht dagegen – ist ganz wichtig, weil sonst ist man gleich in der Schublade der Maschinenstürmer ;-).
Citizen4.0 soll die Aktivität der Digital Society generell im Privatbereich definieren. Das ist sehr breit – ja. Und als nächsten schritt gilt es konkret ein Thema herauszunehmen, wo wir denken das wir auch etwas bewegen können. Ein konkretes Ziel, das wir uns vornehmen. Ein Projekt. Wir können nicht 1000 Dinge gleichzeitig tun mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen.
LG Werner