KFZ Versicherung
Sparen durch Überwachung?

KFZ Versicherungen führen neue Tarife ein. Gute Fahrer – und sie sind doch sicher einer – sollen in Zukunft weniger für eine KFZ Versicherung zahlen. Hört sich doch gut an – oder? Der Fahrer beweist seine Fahrkünste über sogenannte “Telematikdienste” – das Fahrzeug liefert – zum Beispiel über ein am Zigarettenanzünder angestecktes Gerät – Daten über die Fahrten an die Versicherung. Diese kann dann aufgrund der Reisegeschwindigkeit, gefahrener Straßen – Uhrzeit, Pausen, etc. bewerten, wie sie als Fahrer eingeschätzt werden können.

Was wird erfasst?

Die Versicherungen können verschiedenste Informationen sammeln. Es ist möglich die Zeiten wann jemand fährt festzuhalten (Nacht gefährlicher als Tag), die Straßenarten (Autobahn, Bundesstraße, Nebenstraße) – Waldfahrten in der Nacht sind z.B gefährlicher als Autobahnfahrten in der Nacht. Das Wetter (wenn man im Regen fährt ist die Gefahr höher, als bei Sonnenschein), Starke Beschleunigung und starke Bremsmanöver wirken sich ebenso negativ aus, wie Geschwindigkeitsübertretungen.

Wenn die Versicherung nicht auf ein Zigarettenanzündermodul zurückgreift, sondern auf die Daten zugreift, die das Auto ohnehin schon sammelt, dann wird es noch spannender. Das Auto weiß derzeit schon, wie oft der Gurtstraffer angesprungen ist, wie der Reifendruck ist, ob auf dem Beifahrersitz jemand sitzt, die Türen oder der Kofferraum geöffnet sind, wie die Flüssigkeitsstände sind (wenn das Waschwasser beim Fahren ausgeht, könnte das als Fahrlässig gewertet werden), u.v.a.m. Mit der Einfürhung des e-Call Systems wird jedes Auto (bzw. ist jetzt schon) mit einem Mobilfunkmodul ausgestattet sein. Daher sind die Zigarettenanzündermodule der Versicherungen dann obsolet.

Kosten

Versicherungen werben mit niedrigeren Kosten bei der Nutzung von Telematiktarifen. Wer sich über die Schulter sehen lässt, soll mit günstigeren Tarifen belohnt werden. Wie viel erspart sich ein Konsument aber wirklich? In Deutschland liegen die Einsparungen bei ca. 10-20%.

Wir sehen uns also an wieviel die Hapftplichtversicherung für einen Mittelklassenwagen ausmacht. Ein KFZ mit 170 PS und Baujahr 2016 kostet derzeit bei der Allianz laut deren Homepage knappe 100 € pro Monat. Davon sind ca. 65 € die motorbezogene Versicherungssteuer, die die Versicherung nur für den Staat einhebt, ca. 29 € sind die tatsächliche Versicherung. Davon können wir uns also bei ausgezeichneter Führung ca. 3-6 € ersparen.

Bei durchblicker.at kalkulieren wir ebenfalls die Versicherung (Vergleichsportal) und kommen auf Versicherungskosten von 1008 € pro Jahr = 84 € pro Monat. Davon sind ca 14 € die Versicherung. Wir hätten also fast 15€ pro Monat gespart. Das ist deutlich mehr als wir uns mit dem Telematik Tarif ersparen könnten.

Umweltfreundlichkeit

Eine Annahme ist, dass die Bepreisung die Umweltfreundlichkeit fördert, da nach gefahrenen Kilomentern bei den Telematiktarifen verrechnet wird. Das ist unrichtig. Die Telematiktarife preisen zwar gefahrene Kilometer als einen Risikofaktor ein, dieser ist jedoch weniger ausschlaggebend als man denkt. Denn auch “normale” Versicherungen bieten Tarife an, die von der jährlichen Fahrleistung abhängen. Fährt man mit einer nicht telematikgestützten Versicherung weniger zahlt man auch dort weniger. Die Erfassung erfolgt hier jedoch über die Ablesung des Kilometerstandes am Tachometer, nicht über eine Vollüberwachung des Fahrers. Zudem wie regulierend wird sich 3-6€ im Monat Einsparung auf das Fahrverhalten eines Fahrers auswirken. Damit kann man sich gerade im Bestfall 3 Straßenbahnfahrscheine kaufen.

Problematik der Aufzeichnung

Vollüberwachung es Fahrers

Durch die vollständige Aufzeichnung des Fahrverhaltens können Bewegungsprofile des Fahrers erstellt werden. Mit diesen Bewegungsprofilen ist weit mehr auswertbar, als das Fahrverhalten des Fahrers. Man könnte zum Beispiel auf mögliche Krankheiten schließen (der Fahrer besucht 2x die Woche ein Spital), auf den Aloholkonsum (der Fahrer fährt 1x die Woche nach Grinzing), auf außereheliche Verhältnisse (der Fahrer besucht 2x die Woche eine Adresse außerhalb seines Arbeitsplatzes und seiner Wohnadresse und verbleibt dort für einige Stunden. Nicht alle diese Rückschlüsse müssen zutreffen, aber ein Computer kann mittels Verknüpfungen erstaunliche Rückschlüsse ziehen, die stimmen können – aber auch nicht. Gefährlich für den Konsumenten wird es wenn diese Rückschlüsse für Versicherungsprodukte verwendet werden – und der Konsument nicht einmal weiß dass das der Fall ist (und sich daher auch nicht wehren kann).

Auflösung des Solidaritätsprinzips

Eine Versicherung ist ein Vehikel bei dem die Gesellschaft für eintretende Schäden solidarisch haftet. Daher: Alle zahlen in einen Topf ein – und aus diesem Topf wird ein Schaden bezahlt – wenn jemand Pech hat. Je stärker man versucht das “Pech” statistisch in den Griff zu bekommen und die Versicherungstarife “fair” zu machen (jeder zahlt nur im Verhältnis zu seinem verursachten Risiko) – desto weiter entfernt man sich vom Solidaritätsprinzip und umso unfairer wird die Versicherung. Im schlimmsten Fall bekommen Fahrer mit hohem Risiko gar keine Versicherung mehr (hier greift in Österreich der Gesetzgeber bei der Haftpflicht regulierend ein).

Nichtbezahlung von Schäden

Die Versicherungen sind nicht verpflichtet in jedem Falle zu Zahlen. Theoretisch könnten die Aufzeichnungen herangezogen werden um die Versicherung von der Verpflichtung zur Deckung eines Schadens zu entbinden. Bei den Versicherungen ist meist grobe Fahrlässigkeit von der Leistungspflicht ausgeschlossen. Die Daten könnten also herangezogen werden um diese Fahrlässigkeit nachzuweisen. In diesem Falle könnte eine Versicherung sich die Kosten des Schaden der gegnerischen Partei zurückholen.

Weitere Informationen

Die Presse: Wer nicht aufpasst muss selber zahlen

Spiegel: Soviel lässt sich mit Telematik Tarifen einsparen

Digitalk: Autonomes Fahren & Datenschutz beim Automobil (ÖAMTC)

cc-Camp’15: Datensammler Auto (Albert Steinhauser)