Es ist nun auch wissenschaftlich erwiesen, was Menschen die in solchen Umfeldern bereits gearbeitet haben auch fühlen. Großraum-Büroräumlichkeiten (englisch: open office spaces) sind nicht optimal für die Arbeit. Ich hatte bei Microsoft selbst die Ehre in einem vollständig neu designten Bürogebäude arbeiten zu dürfen, das nach den neuesten Ideen auf ein derartiges Konzept umgestellt wurde.
Open Office bedeutet, dass alle Mitarbeiter im Grunde genommen statt in Büros in einem (oder mehreren) großen Räumen arbeiten. Die Theorie dahinter ist, dass wenn die Mitarbeiter sich ständig sehen, und über den Weg laufen, sie mehr miteinander reden und dann auch wesentlich intensiver zusammenarbeiten.
Ethan Bernstein und Stephen Turban von der Harvard Business School und Harvard University haben 52 Mitarbeiter der Unternehmenszentrale eines Fortune 500 multinationalen Konzerns ausgewählt. Das Unternehmen war gerade im Begriff ein Stockwerk – von den in den USA üblichen “cubicles” (kleine wenige m2 große private Büroecken für jeden Mitarbeiter) auf ein Großraumbüro umzustellen.
Die Teilnehmer an der Studie, umfassten Mitarbeiter aus den Bereichen Vertrieb, Technologie sowie Personal (HR) trugen sogenannte “Sociometric Badges” und Mikrofone zur Messung der sozialen Interaktionen.
Sociometric Badges dienen zum Messen des Sozialverhaltens von Einzelpersonen in Gruppen. Mittels der integrierten Sensoren können hierbei u.a. die Anzahl an Face-to-Face Interaktion, Gesprächszeiten, physische Nähe von Personen, prosodische Merkmale, physische Aktivität, relative Bewegungen sowie Betonung, Lautstärke und Geschwindigkeit während des Sprechens aufgezeichnet werden.
Die Mitarbeiter trugen diese Messgeräte für drei Wochen vor dem Büroumbau. Nach dem Redesign des Büros trugen die Mitarbeiter einige Monate später diese Devices nochmals, um die Veränderungen zu messen.
Dies Badges erlaubten den Forschern persönliche Interaktionen (Gespräche) zu messen. Das Unternehmen erlaubte den Forschern auch Zugriff auf die IT Systeme des Unternehmens. Damit konnten auch Interaktionen über elektronische Kanäle (E-Mail, Instant-Messeges, etc.) aufgezeichnet werden.
Die Ergebnisse waren beeindruckend, aber entgegen aller Erwartungen: nach der Umstellung auf das “Open Office” Konzept
- hatten sich persönliche Interaktionen um 73 % reduziert
- Die Verwendung von E-Mail stieg um 67 %
- Instant-Messaging stieg sogar um 75 %
Eine zweite Studie, die mit einem anderen Fortune 500 Unternehmen durchgeführt wurde, war ähnlich. Dabei wurde die Veränderung der Kommunikation zwischen spezifischen Personenpaaren vor und nach einer Umstellung des Büros auf “Open Office” gemonitored.
Von 1830 interagierenden Verbindungen – reduzierten 643 die Anzahl an persönlicher Kommunikation nach dem Office Umbau. Nur 141 hatten mehr persönliche Interaktionen. In Summe reduzierten sich die persönlichen Interaktionen um rund 70 % über alle beobachteten Mitarbeiter. Elektronische Kommunikation stieg zwischen 22 % und 50 %, je nach Anwendungsfall.
Für jene die in solchen Arbeitsumgebungen gearbeitet haben sind die Untersuchungsergebnisse vermutlich keine Überraschung. Die fehlende Privatsphäre wird oft durch Rückzug (beispielsweise aufsetzen von Kopfhörern) kompensiert. Schwierige Unterhaltungen, werden kaum vor großem Publikum ausgetragen, hier wird dann eher auf Instant-Messaging zurückgegriffen.
Es gibt eine Menge Studien, die auf das Unwohlsein der Mitarbeiter in solchen Büroumgebungen eingehen, diese Studie ist aber die erste die qualitative Zahlen bereitstellt, dass die Ziele, die mit diesen Umgebungen erreicht werden sollen, nicht nur nicht erreicht werden, sondern die Zusammenarbeit massiv negativ beeinflusst wird. Gerade in Zeiten der digitalen Transformation versuchen wir, als Führungskräfte genau das Gegenteil zu erreichen und Teams bestmöglich dabei zu unterstützen ihr volles Potenzial zu entfalten. Spätestens mit dieser Studie ist nun auch wissenschaftlich nachgewiesen, dass Großraumbüros von der Werkzeugliste moderner Büroumgebungen zu streichen sind. Sie kosten durch die negativen Auswirkungen weit mehr, als damit je zu sparen war.
The impact of the ‘open’ workspace on human collaboration
(Ethan S. Bernstein, Stephen Turban)
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Werner Illsinger ist systemischer Coach, Unternehmensberater sowie Lektor an der FH-Kärnten. Sein Herzensanliegen ist es, dass Arbeit Spaß macht.
Ich habe fast mein ganzes Berufsleben in Großraumbüros verbracht.
Ich habe das als Vorteil empfunden: man bekam mit, was so lief in der Abteilung; man sah eher, wann wer am Platz war und grad nicht telefonierte, und konnte hingehen und reden; ich fühlte mich nie allein.
1-2 Jahre war ich mit der Assistentin des Chefs im Vorraum “untergebracht”. Ich kriegte mehr mit, was der Chef so machte. Und ich sah ihn öfter. Ich wurde gelegentlich auch als Assistentin-Ersatz herangezogen, wenn sie nicht da war – besonders, wenn jemand hereinkam und was wollte oder wenn das Telefon läutete, für sie oder für den Chef. Aber ich war vom Rest, mit dem ich sonst zu tun hatte, abgeschnitten und kriegte nix mehr mit und hatte viel weniger direkte Kontakte mit Leuten, mit denen ich zu tun hatte – Mail oder Chat statt dessen.
Mir hat das Großraumbüro besser gefallen.