Klarnamen führen zu weniger Meinungsfreiheit
Die Digital Society ist erstaunt über den Vorstoß der Bundesregierung ein sogenanntes “Digitales Vermummungsverbot” einzuführen. Dies würde zu einer Einschränkung des Rechtes auf freie Meinungsäußerung, der Meinungsvielfalt führen, und paradoxerweise auch zu mehr Hass im Netz.
Heute wurde am Rande des “Gipfel für Verantwortung im Netz und Gewaltprävention” bekannt, dass die Bundesregierung plant eine Klarnamenpflicht in Onlineforen einzuführen. Onlineforen Betreiber sollen dazu verpflichtet werden, die richtigen Namen der Benutzer festzustellen, und im Anlassfall auch an die Behörden herauszugeben.
Hintergrund dieser Forderung ist die Bekämpfung von Hasspostings. Wissenschaftliche Studien, darunter eine der Universität Zürich, belegen aber, dass Menschen paradoxerweise wenn sie unter Klarnamen posten weit öfter bereit sind aggressiv zu posten. Die Klarnamenpflicht würde daher die Aggressivität der Benutzer in Onlineforen weiter befeuern.
Andererseits ist aber eine freie Meinungsäußerung von bestimmten Gruppen im Netz gar nicht mehr möglich, wenn man ihre wahre Identität kennen würde. Denken wir hier an Menschen die wegen ihrer Nationalität, sexuellen Orientierung, wegen bestimmten Krankheiten sich in Onlineforen nicht unter ihrem Klarnamen äußern würden.
Bessere Gesetze für den Opferschutz, und Medienbildung
Auch beim viel zitierten Fall der ehemaligen Grünen Abgeordneten Sigrid Maurer lag das Problem nicht daran, dass der “Poster” nicht namentlich bekannt gewesen wäre, im Gegenteil. Man kannte seinen vollen Namen. Es wurde jedoch angezweifelt, ob er tatsächlich selbst seinen Twitter Account bedient hätte. Wie würde hier die Klarnamenpflicht helfen?
Österreich benötigt also weniger eine Klarnamenpflicht, sondern eine Verbesserung der bestehenden Gesetze, des Opferschutzes, viel mehr Sozial- und Medienbildung und vor allem besonnenere Politiker, die die Stimmung in Österreich nicht unnötigerweise noch weiter aufheizen und auch noch Öl ins Feuer gießen.
Es ist in letzter Zeit auch zu bemerken, dass die Regierungsparteien kaum daran Interesse zeigen, das Wissen von zivilgesellschaftlichen Organisationen in solchen Dingen zu nutzen. Beispielsweise war die Betreiberin der eigenen Beratungsstelle gegen Hass im Netz – die Initiative ZARA nicht zu diesem Gipfel eingeladen. Kurzfristige Aktionen ohne ausreichenden Diskurs mit einer breiten Öffentlichkeit sind reiner Aktionismus und als solcher abzulehnen, vor allem wenn es auch wissenschaftliche Fakten gibt, die belegen, dass solche Aktionen nicht zielführend sind.
In diesem Zusammenhang möchten wir auch auf unseren Digital am 12.12. zum Thema Meinungsbeeinflussung, Fake News & Hate Speech hinweisen.
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Werner Illsinger ist systemischer Coach, Unternehmensberater sowie Lektor an der FH-Kärnten. Sein Herzensanliegen ist es, dass Arbeit Spaß macht.
Postings: Regierung will Anonymität im Netz einschränken
https://derstandard.at/2000091215195/Postings-Regierung-will-Anonymitaet-im-Netz-abschaffen
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“Digitales Vermummungsverbot” soll sich gegen Hass im Netz richten. Pseudonyme sollen weiterhin möglich sein, die Details sind noch offen
Die Bundesregierung will gegen Hass im Netz vorgehen. Dafür soll ein sogenanntes “digitales Vermummungsverbot” eingeführt werden. Wie dieses genau aussehen wird, ist noch unklar. Das Ziel sei nicht, dass Personen nicht mehr anonym posten können, eher gehe es darum, Täter belangbar zu machen. Bei Straftaten sollen aber die Behörden auf die Namen der Verdächtigen zugreifen können.
“Auf der Straße ist auch niemand mit Namensschild unterwegs, aber wenn ein Polizist ermittelt, muss er sich ausweisen können – darum geht es”, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Wie das konkret umgesetzt werden soll, ist nach aktuellem Stand unklar.
Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) verweist auch auf selbst erlebten Hass im privaten Umfeld. “Es ist ungeheuer, dass meine Ehefrau, die schwanger ist, mit unfassbaren Postings konfrontiert wird”, sagt Strache.
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Es brauche auch eine bessere Definition von Hetze und Möglichkeiten, Täter “rasch zur Rechenschaft zu ziehen”, so Strache.
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Was sich an der jetzigen Rechtslage ändern soll, ist allerdings unklar, sagt die Medienrechtsanwältin Maria Windhager zum STANDARD. “Die Ankündigungen sind vollkommen schwammig.” Plattformen sind bereits jetzt bei straffälligen Postings dazu verpflichtet, ihnen bekannte Nutzerdaten herauszugeben – das regelt das E-Commerce-Gesetz. Aktuell nicht verpflichtend ist es allerdings, Daten wie Name, Adresse und E-Mail eines Users zu speichern.
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“Wenn man eine flächendeckende IP-Adressenspeicherungspflicht plant, dann ist das eine Art von Vorratsdatenspeicherung, und die wird sicher nicht gehen, jedenfalls aufgrund europarechtlicher Rahmenbedingungen nicht so einfach”, sagt Forgó.
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Die Weitergabe von IP-Adressen ist in Österreich aufgrund von unterschiedlicher Rechtsprechungen nicht ohne weiteres möglich. Laut Forgó kann sie jedenfalls nicht erzwungen werden. “Das ist aber eine denkbar schlechte Maßnahme, um das eigentliche Problem in den Griff zu bekommen, denn nach allen Unterlagen ist es so, dass Hass im Netz in ganz vielen Fällen unter Klarnamen stattfindet”, sagt Forgó. Dazu käme, dass man, wenn man schon den Aufwand betreibt, um den Namen mit einem Pseudonym zu ersetzen, auch den Aufwand betreiben würde, die IP-Adresse zu verschleiern.
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Solche Pläne würden also einen großen Grundrechtseingriff erzeugen, jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit “wenig bis gar nichts ändern”. “Das zieht eine verfassungsrechtliche Frage nach sich: Ist es verhältnismäßig, was da geplant ist?”
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Empört zeigt sich Maurer auch darüber, dass die Antirassismusstelle Zara nicht im Vorfeld des Gipfels kontaktiert wurde: “Zara ist nicht dort, aber Strache, der mit seiner Facebook-Seite Hass verbreitet, schon.”
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Anonymität sei nur ein Faktor für Aggression im Netz, aber nicht der einzige. “Halte Klarnamenpflicht nicht für Lösung”, schrieb Brodnig.
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Während die Regierung zu dem Gipfel gegen Hass im Netz ins Bundeskanzleramt einlud, lud die FPÖ auf Facebook ein rassistische Klischees bedienendes Video hoch.
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“Gut, dass die FPÖ und Ministerin Hartinger-Klein aus Anlass zum Gipfel gegen ‘Hass im Netz’ gleich Anschauungsbeispiele liefern”, meinten etwa die NEOS.
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Ungeachtet dessen betonte Strache, man solle schon in den Schulen unterrichten, was Opfer tun könnten, “etwa den Gerichtsweg gehen”.
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Wenn ein derzeit maßgeblicher Politiker – und (noch?) Parteichef – die Publikationen seiner eigenen Kameraden in Partei und Regierung "nicht mehr gutheißen" kann und ähnliche – angeblich "nur einmalige Ausrutscher" – nahezu regelmäßig passieren, dann spricht er möglicherweise mit "gespaltener Zunge", wenn er sich in der Öffentlichkeit von solchen Elaboraten distanziert, aber im "kleinen Kreis" den Autoren und Ideengebern möglicherweise lobend auf die Schultern klopft oder er wird das Schicksal eines seiner Vorgänger erleiden – und bald nicht mehr lange Parteichef sein – da seine Kameraden vielleicht gar nicht mehr auf seine Worte hören, weil im Machtzentrum der Partei schon längst ganz andere das Sagen haben.
Hinsichtlich gesetzlicher Maßnahmen zur Durchsetzung eines "digialen Vermummungsverbotes" scheint die Bundesregierung das World- Wide-Web immer noch nicht verstanden zu haben : Denn was nützen noch so "scharfe" oder beschränkende Vorschriften für Kunden österreichischer Provider, wenn die durch diese Vorschriften zu unterbindenden Aktionen (wie z.B. Hate-Speech, gefährliche Drohungen, persönliche Beleidigungen u.ä) genauso über US-amerikanischen oder russische Accounts (oder über Provider in beliebigen sonstigen Staaten) stattfinden könnten. Dass derartige Angriffe auf Personen bzw. die öffentliche Meinung über Personen bzw. politische Gruppierungen und deren Repräsentanten/Kandidaten stattfinden, scheint ja mittlerweile bereits erwiesen zu sein. Dass entsprechende österreichische Bestimmungen innerhalb der USA oder innerhalb von Russland (oder irgendeinem sonstigen Staat der Welt) – außer Gelächter – auch nur irgendwelche andere Reaktionen auslösen könnten, wird doch wohl kaum ein Mitglied unserer Regierung ernsthaft glauben ?
Interessant scheint hier auch die Meinung zu sein, dass vorher erst noch der Begriff "Verhetzung" genauer definiert werden müsste – als ob Richter nicht fähig wären, die Kategorisierung einer Veröffentlichung als "verhetzend" auch ohne Vorliegen einer "genaueren Definition" ( vielleicht auch noch mit allen Wortkombinationen einer entsprechend verhetzenden Formulierung ?) feststellen zu können.
Besser als Klarnamen-Pflicht, die vermutlich nur die wenigsten verhetzenden Postings vermeiden helfen könnte, wäre wohl die IP-Adressen an den jeweiligen Portalen über längere Zeit zu blockieren, sodass mit diesen (Absender-) IP-Adressen an das jeweilige Portal keinerlei Postings mehr abgesetzt werden können. Leider wäre das eine recht langwierige Angelegenheit, weil solche Postings (von einem einzigen Absender) vielleicht auch über mehrere hundert IP-Adressen (z.B. eines VPN-Anbieters) einlangen könnten.
Die Entscheidung, welche Postings als Hate-Speech, Beleidigungen u.ä. zu beurteilen sind, sollte durch einen andauerend tagenden (und mit keinen anderen Aufgaben betrauten) Richtersenat beurteilt werden, der zufolge eigener Beobachtung (mit ausreichend vielen Mitarbeitern, und über Meldungen durch andere Internet-User) entsprechende Postings bzw. deren Absender-IP-Adressen ermitteln lässt, die von den jeweiligen Plattformbetreibern (als dort ankommenden IP-Pakete) nahezu ohne Zeitverzögerung – vom Auffinden des Postings bis zu Blockade der Absender -IP – zu sperren ( bzw. auszufiltern) wären.