Worum geht’s beim neuen Urheberrecht?

Problem YouTube

Die Verwerter (meist große Musikverlage, Verwertungsgesellschaften, Filmproduktionsfirmen) haben Probleme damit, dass die von YouTube-Benutzern hochgeladenen Medien (also z.B. Musikstücke) kostenlos für andere zum Download angeboten werden. Die Benutzer im Internet hören also Musikstücke kostenlos. Es gibt für Musik allerdings mit Verwertungsgesellschaften ein Abkommen, dass ein geringer Anteil der Werbeeinnahmen der Plattform an die Verwertungsgesellschaften ausgeschüttet wird. Hier sind die Verwerter mit Ihrer Verhandlungsposition gegenüber Google (YouTube gehört Google) unglücklich und hätten gerne eine bessere Position um eine höhere Vergütung bekommen zu können.

Problem Urheberrechtsverletzungen

Bei den meisten Urheberrechtsverletzungen ist das große Problem, den Betreibern der Plattformen überhaupt habhaft zu werden. Es spielen hier eine Menge von Unternehmen mit. Beispielsweise ist oftmals auf der Plattform selbst kein urheberrechtlich geschützter Content, sondern es wird nur auf ein anderes Filesharing-Service verlinkt. Das Service selbst bietet keine öffentlichen Verzeichnisse an, daher ist der Inhalt von aussen eigentlich nicht zugänglich, sodass argumentiert werden kann, es handle sich um privaten Tausch. Meist betreiben die Tauschplattformen den Verlinkungs-Service nicht selbst, sondern bedienen sich eines Hosters. Der Hoster stellt nur die Hardware und Internet-Anbindung zur Verfügung, hat aber mit dem darauf laufenden Service nichts zu tun.

Problem Presseverlage

Bei den Presseverlagen ist das Problem, dass Printerzeugnisse früher zu einem kleinen Teil durch den Verkauf der Inhalte, zu einem viel größeren Teil aber durch Werbung finanziert wurden. Die Werbeeinnahmen sind aber stark rückläufig, da die früheren Einnahmequellen wie z.B. Privatanzeigen mittlerweile zu digitalen Plattformen wie “Willhaben” abgewandert sind. Auch Firmen schalten mittlerweile lieber Online-Werbung bei Google oder auf Facebook, da sie hier bessere Analysemöglichkeiten und ein zielgenaueres Werbepublikum vorfinden. Der Werbemarkt hat sich also weg von den Zeitungen – sowohl den Printausgaben wie auch deren Online-Auftritten – hin zu anderen Anbietern verlagert. Weiters wurde in Österreich die Presseförderung halbiert. Es steht daher kaum mehr Geld zur Verfügung um Qualitätsjournalismus zu finanzieren.

Lösungsansätze

Verantwortung für Plattformen und Upload Filter

Um das Problem mit den Inhalten auf YouTube als auch die Problematik mit den illegalen Tauschplattformen in den Griff zu bekommen, liegen Vorschläge am Tisch, dass alle Plattformen für die Inhalte auf Ihren Seiten haftbar gemacht werden sollen. Die Plattformen sollen dadurch gezwungen werden, für die Verbreitung der urheberrechtlich geschützten Inhalte Lizenzen lösen zu müssen.

Der ursprüngliche Vorschlag des JURI-Komitees der EU sah vor, dass die Plattformen sogenannte Uploadfilter betreiben müssen, um bereits vor einer Veröffentlichung auf der Plattform zu prüfen, ob es sich bei hochgeladenen Medien um urheberrechtlich geschütztes Material handelt (und ob dafür bereits eine Lizenz vorliegt). Nur wenn Plattformen einen solchen Filter einsetzen, würden sie aus der Haftung für die Inhalte auf der Plattform entlassen werden.

Leistungsschutzrecht

Damit die Presseverleger in Zukunft mehr Einnahmen bekommen, sieht der Vorschlag für das EU-Urheberrecht vor, dass Presseverleger von Plattformen (auch hier wurde vor allem an Google gedacht) für die Verlinkung auf die Artikel der Presseverleger ein Entgelt bekommen sollen. Zeigt also eine Suchmaschine ein paar Ausschnitte eines Artikels einer Zeitung an, soll die Zeitung dafür eine Entschädigung erhalten. Damit soll die Finanzierung der Zeitungen für die Zukunft gesichert werden.

Probleme der Lösungsansätze

Uploadfilter

Die Uploadfilter werden aus verschiedenen Gründen kritisiert. Es leigen bereits Erfahrungen mit den bei YouTube implementierten Upload-Filtern vor. Bei diesen kommt es immer wieder zu Fehlerkennungen, wodurch legitime Uploads verhindert und dadurch das Recht auf freie Meinungsäußerung eingeschränkt wird. Weiters werden manchmal fälschlicherweise die Rechte an einem Stück und die damit verbundenen Werbeeinnahmen einem anderen als dem eigentlichen Rechteinhaber zuerkannt und dieser muss sich eines mühsamen Beweisverfahrens unterziehen, um zu seinem Recht zu kommen. Hiervon sind besonders kleine Unternehmen betroffen, da es eine implizite Annahme gibt, dass Rechte eher bei großen Medienkonzernen liegen.

Zum anderen ist die Entwicklung solcher Uploadfilter sehr teuer, weil sehr komplex. Es muss eine Datenbank von urheberrechtlich geschützten Werken aufgebaut werden, und jeder Upload muss dann mit dieser Datenbank verglichen werden. Es wird daher nur wenige Anbieter solcher Uploadfilter geben. Kleine Plattformen werden sich daher der Uploadfilter der großen Plattformen (z.B. Google) bedienen müssen, und dafür nach dem vorliegenden Vorschlag auch zahlen müssen. Dies benachteiligt kleine Plattformen überproportional und verzerrt den Markt zugunsten der Großen.

Ein zusätzliches Problem ist, dass diese Filter – wenn sie zentral betrieben werden – durchaus auch für andere Zwecke missbraucht werden können. So können diese Filter auch für Zensurmaßnahmen – sowohl von öffentlicher wie auch privater Seite – eingesetzt werden, die nichts mit dem Urheberrecht zu tun haben und damit den ursprünglichen Zweck konterkarieren.

Haftung für Plattformbetreiber

Eine große Befürchtung von kleinen Plattformbetreibern ist, dass es zu Kollateralschäden kommen kann, wenn der Begriff der Sharing-Plattform-Betreiber zu ungenau definiert ist und nicht die richtigen Ausnahmen für kleine und nicht-kommerzielle Plattformen enthält. Ein Betreiber z.B. eines nicht kommerziell ausgerichteten Online-Forums, bei dem auch Uploads möglich sind, könnte vor große Schadenersatzforderungen gestellt werden, wenn – von ihm unbeabsichtigt und unbemerkt – urheberrechtlich geschützte Inhalte auf seine Plattform geladen werden, und dies auch, obwohl er aus der Verbreitung keinerlei kommerzielle Vorteile hat (weil er z.B. keine Werbung schaltet).

Genau das befürchtet Wikimedia – das ist die Plattform die für die Verwaltung von Bildern und Filmen in der Wikipedia verantwortlich ist – die immer wieder Probleme mit urheberrechtlich geschütztem Content hat , der bestimmungswidrig auf ihre Plattform geladen wird. Auch die Vertretung der Internet-Provider in Österreich hat ähnliche Befürchtungen für die Plattformen ihrer Mitglieder.

Wird die Urheberrechtsrichtlinie die 2. DSGVO?

Besonders kleine und mittelständische Firmen befürchten durch die Auflagen der Urheberrechtsrichtlinie ähnliche Probleme wie mit der DSGVO (Datenschutz Grundverordnung). Unternehmen klagen bei der DSGVO vor allem darüber, dass die Regelungen sehr ungenau sind, niemand genau weiß, was er tun muss, um nicht von den drakonischen Strafen der DSGVO getroffen zu werden und führen deswegen teilweise stark überschießende und damit teure neue Geschäftsprozesse ein. Die DSGVO ist also ein gutes Beispiel, wie durch ungenau spezifizierte neue Regulierungen durch das übervorsichtige Verhalten der Unternehmen diesen enorme Aufwände entstehen.

In diesem Zusammenhang warnt auch die Plattform Austrian Startups vor einer Überregulierung, die dem Wirtschaftsstandort Europa großen Schaden zufügen könnte.

Leistungsschutzrecht funktioniert nicht

Es gibt in der EU bereits zwei gute Beispiele, warum das Leistungsschutzrecht – so wie im EU-Urheberrecht vorgeschlagen – nicht funktionieren wird: Deutschland und Spanien.

In Deutschland gibt es seit 2013 eine Regelung, wie sie in der EU Urheberrechtsrichtlinie vorgesehen ist. Google hat aufgrund der Erfordernisse, für Presseartikel in den Suchergebnissen bezahlen zu müssen angedroht, diese aus den Suchergebnissen zu entfernen. In Spanien hatte Google diese Drohung auch wahr gemacht, wodurch die Zugriffszahlen und damit auch die Werbeeinnahmen drastisch abnahmen. Das zeigte wie sehr Presseverleger darauf angewiesen sind, in Suchergebnissen gefunden zu werden (vor allem, wenn eine Suchmaschine einen über 90%igen Marktanteil hat). Die deutschen Pressehäuser haben daher sofort Google eine Gratis-Lizenz eingeräumt. Google zahlt also nichts, wenn Presseartikel in Google Diensten gefunden werden, was aber aber das ursprüngliche Ziel des Gesetzes war. Andere kleinere Plattformen müssen in Deutschland zahlen, wenn sie Presseartikel in ihren Diensten anzeigen bzw. verlinken wollen, und sind dadurch noch mehr gegenüber dem Monopolisten Google benachteiligt. Das Google-Monopol wird dadurch nur noch mehr zementiert.

Auch finanziell zeigt sich am deutschen Modell, dass eine solche Vorgehensweise nicht zur Finanzierung der Presseverlage beitragen kann. Die Einnahmen aus dem deutschen Leistungsschutzrecht beliefen sich für 2017 auf 30.000€, die Kosten für die Rechtedurchsetzung (Anwälte, Gerichtskosten, etc.) hingegen auf sage und schreibe 2.250.000€. Es ergab sich dadurch also ein Verlust von über zwei Millionen Euro für die Verlage.

Linksteuer?

Eine weitere Befürchtung der Kritiker ist, dass das Leistungsschutzrecht mit zu ungenauen Festlegungen dazu führen könnte, dass bereits reine Links ohne weiteren Text dazu verpflichten könnten, entsprechende Abgaben abzuführen. Wie viel darf zitiert werden, bevor das Leistungsschutzrecht fällig wäre?
Ein Beispiel aus underer Praxis: eines unserer Mitglieder macht regelmäßig Presseclippings und postet Verweise auf interessante Artikel der digitalen Welt. Wäre dafür in Zukunft bereits eine Abgabe zu leisten, obwohl wir ein nicht-kommerzielles Unternehmen sind und dadurch keinerlei Einnahmen haben?

Was wird nicht (ausreichend) diskutiert?

Anteil der Einnahmen für die Künstler

Ein Musiker bekommt nach aktuellen Statistiken ca. 2-6% der Einnahmen für  sein Musikstück als Entlohnung. Die oben ausgeführten Maßnahmen können vielleicht dazu beitragen, dass es etwas mehr Einnahmen insgesamt gibt. Es wird aber nichts am verhältnismäßig kleinen Anteil für den Musiker ändern.

Verfügbarkeit von Werken

Ich kenne einige Bekannte, die sich dann Werke aus nicht legalen Quellen besorgen, wenn die Werke über legale Quellen nicht bzw. nicht leicht verfügbar sind. Die bequeme Verfügbarmachung von Werken und einfache Bezahlung sind ein Schlüssel dafür, dass mehr Werke legal bezogen werden. Dies lässt sich beim Entstehen von iTunes und ähnlichen Musikplattformen schön nachvollziehen: die Anzahl der illegal heruntergeladenen Werke sank dramatisch, sobald einfach zu bedienende Bezahlplattformen verfügbar waren.

Veraltete Business-Modelle

Es gibt kaum einen Markt für analoge Kompaktkameras mehr. Auch der gute alte Walkman wurde zuerst vom iPod, später vom Handy obsolet gemacht. Die digitale Transformation verändert Märkte, Kunden und Mitbewerber. Es verändert auch die Grundlagen so mancher Regulierungen. In manchen Bereichen hat man das Gefühl, dass EU-Politiker dabei behilflich sein wollen, veraltete Geschäftsmodelle aufrecht zu erhalten. Das kann auf Dauer nicht funktionieren, es kann die Entwicklung nur etwas verzögern.

Verhandlungspositionen

Wenn man sich wünscht, gegenüber Monopolen eine bessere Verhandlungsposition zu kommen, dann wird das nur funktionieren wenn man geeint auftritt. Bei einer Diskussionsveranstlatung haben wir einen Vertreter der Künstler darauf angesprochen, wie er zu einem zentralen europäischen Dachverband der Verwertungsgesellschaften steht, was er jedoch schockiert abgelehnt hat. So etwas wolle man nicht, und so etwas könne auch nicht funktionieren. Will man aber mit Google auf Augenhöhe verhandeln, so wird es etwas derartiges früher oder später geben müssen, da man nicht erwarten kann, dass Google mit hunderten einzelnen Verwertungsgesellschaften verhandeln wird.

Keine Unterscheidung

In der Gesetzgebung möchte man eindeutig die großen Monopolisten treffen, sowohl bei der Haftung und Upload-Filtern als auch beim Leistungsschutzrecht. Wenn man aber Gesetze schafft, die gleichermaßen ohne Unterschiedungen für Monopolisten wie auch für andere, viel kleinere Unternehmen gleichermaßen gelten, so ergeben sich damit Probleme. Facebook hat bei der DSGVO die Daten nach Amerika verlagert und die Anwälte losgeschickt. Draufgezahlt haben der Handwerker und der Bäcker ums Eck, die im Regen stehen gelassen wurden. Ähnliche Befürchtungen gibt es für das Urheberrecht, wenn hier nicht andere Regeln für ein Unternehmen mit 90% Marktanteil gelten als für ein Startup mit unter einem Prozent Marktanteil oder ein nicht-kommerziellen Hobby-Verein.

Unsere Vorschläge

Zwischen klein und groß differenzieren. Jeder Vorschlag, der keine Unterscheidung zwischen marktbeherrschenden Konzernen und kleinen Einzelunternehmen und nicht-kommerziellen Unternehmungen macht, ist als unzureichend durchdacht abzulehnen.

Technische Umsetzbarkeit beachten. Vorschläge müssen hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen der möglichen technischen Umsetzungen  evaluiert werden.

Wir haben uns die zur Abstimmung vorliegenden Vorschläge angesehen und erachten die folgenden zwei als ausgewogen und zielführend:

S&D MEPs Wölken, Stihler, Weidenholzer schlagen vor, dass Plattformen neu hochgeladenen Content den Rechteverwertern zur Prüfung zur Verfügung stellen und die Implementierung der Upload-Filter den Rechteverwertern überlassen wird. Dies entspricht dem Grundsatz, dass jener, der von einer Regelung finanziell profitiert, auch die überwiegenden Kosten und das Risiko zu tragen hat. In dem Vorschlag werden die Plattformen aus einer sonstigen allgemeinen Haftung entlassen, es werden allerdings jegliche Einnahmen aus Verstößen abgeschöpft, was sehr fair erscheint. Plattformen, deren Geschäftsmodell auf der Verbreitung von Content liegt, müssen entsprechende Lizenzvereinbarungen abschließen.

Dieser Vorschlag wäre noch darum zu ergänzen, dass kleine Plattformen, die keine Einnahmen aus der Verbreitung der Medien erzielen, von der Pflicht zur automatischen Weiterleitung des neuen Contents ausgenommen werden und nur so wie bisher auf entsprechende Verständigungen über Urheberrechtsverstöße reagieren müssen.

MEP Schaake und andere schlagen zum Leistungsschutzrecht vor, dass es vereinfachte Lizensierungsmöglichkeiten zwischen Plattformbetreibern und Presseverlegern geben muss. Weiters soll jede Zeitung für Suchmaschinen und Aggregatoren über einen erweiterten “robots.txt” Mechanismus transparent spezifizieren können, wie lange Zitate sie kostenfrei erlaubt. Dies ist aus unserer Sicht die fairste Lösung, da sie den Rechteinhabern volle Kontrolle bietet.

 

 

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Werner Illsinger

Präsident bei Digital Society
Werner Illsinger ist systemischer Coach, Unternehmensberater sowie Lektor an der FH-Kärnten. Sein Herzensanliegen ist es, dass Arbeit Spaß macht.
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