Sicherheitspaket und Arbeitsprogramm der Bundesregierung

Die österreichische Bundesregierung hat sich also ein neues Arbeitsprogramm gegeben. Das ist gut. Die Bevölkerung möchte, dass etwas weitergeht im Lande.

In dem neuen Arbeitsprogramm ist auch ein sogenanntes “Sicherheitspaket” enthalten. Begründet wird die Notwendigkeit des Sicherheitspaketes mit dem subjektiven Sicherheitsgefühl in Österreich. Die Bevölkerung fühle sich unsicher, daher müsse die Regierung hier handeln.

Subjektives Sicherheitsgefühl

Die Bevölkerung fühlt sich unsicher. Diese Aussage ist vermutlich richtig. Aber woher kommt diese “gefühlte Unsicherheit”. Ist die Sicherheitslage in Österreich und in Europa tatsächlich so prekär? Sehen wir uns einmal statistische Daten dazu an. Die meistdiskutierte Gefahr in der Öffentlichkeit ist derzeit “Terror”, vor allem “islamistischer Terror”. Auslöser dafür sind vor allem die Attentate in Frankreich und zuletzt auch in Deutschland. Im folgenden sehen wir uns alle Terroropfer seit den 70er Jahren in Westeuropa an:

Wir sehen dabei dass das Gefühl richtig ist in 2015 und 2016 gab es tatsächlich mehr Tote als zuvor, und vor allem gab es eine Häufung von Terroropfern in Frankreich. Durchschnittlich sehen wir aber, dass wir seit etwa der Mitte der 90er Jahre eine deutliche Abnahme des Terrorismus in Westeuropa bemerken können. In den 70er und 80er Jahren waren Terrorattentate offensichtlich viel häufiger als ab der Mitte der 90er. Natürlich ist jedes Opfer zu viel, und wir sollten alles dafür tun, um Opfer zu verhindern – aber wir sehen an der Grafik deutlich dass es in Europa immer Terrorismus gab, und die letzten 20 Jahre die friedlichsten in diesem Sinne in Europa waren.

Ein anderes Gefühl, dass wir uns ansehen wollen, ist – wie viele Verbrechen in Österreich angezeigt wurden. Wir haben das Gefühl, dass wir in Österreich nicht mehr sicher sind. Es gibt sehr viele Flüchtlinge und Asylwerber in unserem Land, die – teilweise unkontrolliert – nach Österreich gekommen sind. Einige Medienberichte legen nahe, dass in Österreich jetzt viel mehr “passiert” als in der Vergangenheit. Das Gegenteil ist der Fall. Hier die offizielle Kiminalitätsstatistik des BMI (hier abrufbar).

Wir sehen, dass die Kriminalität in Österreich stetig gesunken ist. Seit 2006 geht der Trend der angezeigten Delikte nach unten. Von 2014 auf 2015 gab es eine Abnahme um 1,9%.

Die Frage ist also – was macht die Politik falsch. Brauchen wir mehr Überwachung für die Bevölkerung – oder sollten wir nicht eher daran arbeiten das Sicherheitsgefühl der Österreicher zu heben, indem wir ihnen statt Angst einzujagen, Sicherheit geben – indem wir Erfolge besser kommunizieren?

Keine ausreichenden Werkzeuge zur Verbrechensbekämpfung

Der Innenminister beklagt keine ausreichenden Werkzeuge zur Verbrechensbekämpfung. Die Verbrecher können auf neue Technologien zurückgreifen, und die Polizei sei nicht ausreichend darauf vorbereitet. Wenn das stimmen würde, müsste die Aufklärungsrate der Verbrechen sinken. In der gleichen vom BMI publizierten Statistik gibt es eine Grafik über die Aufklärungquote der Verbrechen in Österreich:

Wir sehen hier also, dass die Polizei einen ausgezeichneten Job macht. Die Aufklärungsquote von Verbrechen der Polizei ist also in den letzten 10 Jahren stetig gestiegen. Dass die Verbrecher also massive Vorteile gegenüber der Polizei haben, ist statistisch nicht nachvollziehbar. Eher das Gegenteil ist der Fall. Die Polizei scheint besser gerüstet denn je – um ihrer Aufgabe nachzukommen.

Überwachung hebt die Sicherheit?

Unser Innenminister hat offensichtlich ein einschneidendes Erlebnis in seinem Leben gehabt. Es gab eine Zeit in der ihm ein Unbekannter regelmäßig vor seine Haustüre geschissen hat. (Die Medien haben darüber berichtet) (#gackigate). Er hat das Problem dahingehend gelöst, dass er eine Überwachungskamera installiert hat.

Was hier suggeriert wird ist, dass alleine durch die Installation von Überwachung die Kriminalität zurückgeht. Das Modell ist immer das gleiche: Mehr Kameras, mehr Polizisten, mehr Vorratsdaten, usw. führt zu einem Rückgang von Kriminalität.

Mehr Polizeipräsenz an einem Ort führt nicht dazu dass es weniger Verbrechen gibt. Die Verbrecher weichen nur aus. Es ist so – wie wenn jemand sich eine Sicherheitstüre installiert. Dann wird halt nicht bei ihm eingebrochen, sondern beim Nachbarn, weil es dort einfacher ist. Genau so ist es mit einer Kamera – oder eben auch mit Polizeipräsenz. Die Verbrecher werden dorthin ausweichen, wo keine Kamera installiert ist, oder wo kein Polizist vor der Haustüre steht.

Genauso verhält es sich auch mit der Überwachung von bestimmten Kommunikationsformen. Wenn klar ist, dass z.B. die Handy Kommunikation unsicher ist, steigen die Verbrecher auf Kommunikationsformen um, die schwerer oder gar nicht überwacht werden können (z.B. verschlüsselte Kurznachrichtendienste wie Telegram).

Die Wissenschaft sagt also, dass Verbrechen nicht verhindert werden kann durch die Polizei – sondern nur verwaltet. (siehe Artikel im Spiegel).

Überwachung kann also nur Verbrechen woanders hin verschieben, aber nicht verhindern.

Die Wiener Polizei hat diese Erfahrungen bereits auch selbst gemacht, und Überwachungssysteme die installiert waren, wieder abgebaut, weil die Kosten wesentlich höher waren, als der Nutzen – und erwartete Effekte nicht eingetreten sind (siehe Artikel im Kurier). Ihr Chef, der Innenminister ist noch am Anfang dieser Lernkurve.

Grundrechte, Demokratie und Autokratie

Grundrechte sind grundlegende Rechte der Bürger vor allem gegen ihren Staat. Die Grundrechte dienen zur Aufrechterhaltung der Gesellschaftsordung in der wir leben (freie, demokratische Gesellschaft). Die Grundrechte schaffen Freiräume für individuelles Denken und Handeln. Es geht vor allem darum dass die Bürger eines Staates unbehelligt vom Staat ihren politischen Willen bilden und auch zum Ausdruck bringen können sollen. Das ist notwendig, damit unser Rechtssystem funktioniert.

Die Grundrechte beinhalten in Österreich beispielsweise:

  • Gleichheit vor dem Gesetz
  • Recht der Freizügigkeit der Person und des Vermögens
  • Freiheit des Aufenthalts, der Einreise und der Auswanderung
  • Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums
  • Freiheit der Erwerbstätigkeit
  • Schutz der persönlichen Freiheit
  • Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter
  • Unverletzlichkeit des Hausrechts;
  • Schutz des Brief- und des Fernmeldegeheimnisses
  • Petitionsrecht
  • Vereins- und Versammlungsfreihei
  • Meinungs- und Pressefreiheit
  • Verbot der Vorzensur
  • Glaubens- und Gewissensfreiheit
  • Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre sowie der Künste
  • Unterrichtsfreiheit
  • Recht auf Bildung
  • Freiheit der Berufswahl und der Berufsausbildung
  • Rechte der Minderheiten
  • Recht auf Leben
  • Recht auf Datenschutz

In unserer Gesellschaft sieht man, dass offensichtlich die Sehnsucht nach “starken Männern” in der Bevölkerung durchaus ausgeprägt ist. Russland zum Beispiel ist offiziell eine Demokratie. Es gibt Wahlen und die Partei Putins bekommt auch Mehrheiten. Ähnliches vollzieht sich derzeit auch in der Türkei. Dennoch muss festgestellt werden, dass beide Länder autokratische Züge aufweisen. Die “starken Männer”, versuchen ihre ihnen vom Volk verliehene Macht, dann zu festigen und auszubauen. Genau dazu gibt es Grundrechte. Die Grundrechte sollen die Fundamente unserer rechtsstaatlichen Ordnung schützen.

Wir sehen aber auch in westlichen Demokratien eine Tendenz zu autokratischen Zügen. Die Wahl Donald Trumps und die erste Woche Regierungstätigkeit hat deutlich vor Augen geführt, dass die Regierung Trump Grundrechte nicht allzu ernst nimmt.

Spannend ist auch hier wieder, dass offensichtlich unsere Politiker weniger dazu tendieren die Grundrechte zu schützen, und auch zu erklären, wozu diese gut sind, sondern fest dabei mitspielen, die Angst der Bevölkerung zu schüren, und gleichzeitig fröhlich daran arbeiten die Grundrechte auszuhöhlen. Beispielsweise ist im neuen Sicherheitspaket die Aushöhlung des Fernmeldegeheimnisses enthalten, genauso wie die Forderung nach Einschränkung der Versammlungsfreiheit. Alles wird mit einem subjektiven Sicherheitsbedürfnis argumentiert. Real gibt es keinerlei Argumente dafür derartige schwerwiegende Eingriffe in die Grundrechte vorzunehmen.

Es scheint aber so zu sein, dass ein Teil der Bevölkerung dazu tendiert, dass die Freiheitsrechte gerne dafür aufgegeben werden, wenn endlich Probleme gelöst werden, die real gar nicht existieren.

Technische Machbarkeit

Zusätzlich zu den oben genannten Problemen, gibt es eine Reihe an Details die Zeigen, dass die Firmen die beim Ausbau des Überwachungsstaates durch das Sicherheitspaket in Österreich mitarbeiten sollen, derzeit nicht in der Lage sind die gewünschten Daten zu liefern, und dafür eigene Überwachungsinfrastruktur aufbauen müssten, die natürlich wir – entweder als Kunden – oder als Bürger finanzieren müssen.

So will z.B. der Innenminister auf die Kameras der ASFINAG zugreifen um Kennzeichenauswertungen durchzuführen. Die ASFINAG setzt zwar solche Kameras (mobil) ein, Es gibt aber maximal 20 Kameras, die nach Bedarf eingesetzt werden, diese sind aber nicht dazu gedacht die Österreichsichen Autobahnen flächendeckend zu überwachen. Die Verkehrskameras der ASFINAG sind wesentlich mehr, diese taugen jedoch nicht zur Kennzeichenerkennung, weil die Auflösung dieser Kameras zu niedrig ist.

Auch beim Quick Freeze genannten Ersatz der vom Verfassungsgericht gekippten Vorratsdatenspeicherung sagen die Telekommunikationsunternehmen eindeutig, dass die geforderten Daten von diesen Unternehmen derzeit gar nicht gespeichert werden (bzw. gespeichert werden dürfen).

Man müsste diese Unternehmen also dazu zwingen, eine Überwachungsinfrastruktur aufzubauen (ähnlich wie man es bei der Vorratsdatenspeicherung schon getan hatte) – und die Unternehmen dann auch dafür Entschädigen. Wir dürfen uns also unseren “goldenen Käfig” voraussichtlich auch noch selbst bezahlen.

Kritik

Die Kritik am geplanten Sicherheitspaket ist überwältigend. Zu den Kritikern der Maßnahmen zählen neben den bekannten Institutionen wie epicenter.works (ehemals AK-Vorrat) oder C3W (Chaos Computer Club Wien) auch der Rechtsanwaltskammertag und ihr Präsident Rupert Wolf