{"id":6740,"date":"2016-01-31T13:44:42","date_gmt":"2016-01-31T12:44:42","guid":{"rendered":"https:\/\/press.ccc.at\/dsnew\/?p=6740"},"modified":"2021-08-10T13:28:54","modified_gmt":"2021-08-10T11:28:54","slug":"steuergesetzgebung-und-digitale-gesellschaft","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/digisociety.ngo\/2016\/01\/31\/steuergesetzgebung-und-digitale-gesellschaft\/","title":{"rendered":"Steuergesetzgebung und Digitale Gesellschaft"},"content":{"rendered":"
Die Steuergesetzgebung in Europa ist ein wichtiges Thema. Derzeit gibt es innerhalb Europas keine einheitliche Steuergesetzgebung. Die Mitgliedsstaaten legen die Steuern selbst fest.<\/p>\n
Steuern sind auch ein Mittel um Anreize von Unternehmen zu setzen sich in einem Land niederzulassen. Wenn man Also im Land A weniger Steuer bezahlt, dann wird ein Unternehmen lieber ins Land A ziehen und nicht ins Land B.<\/p>\n
Bei physischen G\u00fctern ist aber die Wahl eines Unternehmensstandortes nicht ganz so einfach. Denn wenn ich M\u00f6bel kaufen m\u00f6chte, dann ben\u00f6tige ich z.B. den M\u00f6belmarkt in meinem Land. Dann werden Ums\u00e4tze und nachfolgend hoffentlich auch die Gewinne im Land generiert, wo auch die Konsumenten leben.<\/p>\n
In der digitalisierten Welt ist aber diese Bindung an physische Standorte nicht mehr notwendig. Ein St\u00fcck Software, ein Musikst\u00fcck, ein Film, Fotos, B\u00fccher, etc. k\u00f6nnen eigentlich \u00fcberall auf der Welt angeboten werden. Es gibt keine Verbindung mehr zwischen Ort des Angebotes und dem Ort wo der Konsument lebt.<\/p>\n
In diesem Fall kann also ein Unternehmen auch frei w\u00e4hlen wo es seinen Firmensitz hat. Es w\u00e4hlt also das Land in dem es am wenigsten Steuern zahlt. Das ist vollkommen klar.<\/p>\n
Nun ist es innerhalb der Europ\u00e4ischen Union so, dass die einzelnen Mitgliedsstaaten in Konkurrenz untereinander stehen. Nehmen wir an, das Land A verlangt 25% Steuer vom Gewinn eines Unternehmens. Das Land B m\u00f6chte den Anbieter dazu bewegen, dass es seinen Hauptsitz in sein Land verlegt – und bietet daher 10% Steuersatz an. Das Land C meint es sei besser noch ein wenig zu bekommen statt gar nichts – und bietet 5% – und das n\u00e4chste Land bietet dann 2,5%. Genau das passiert momentan innerhalb der EU. Die Paradebeispiele solcher L\u00e4nder sind Luxemburg und Irland. Das Problem an diesen Niedrigsteuerregelungen ist, dass sie Ausnahmen sind. Also der Fleischhauer ums Eck zahlt nach wie vor den normalen Steuersatz, nur die gro\u00dfen dicken fetten Fische werden bevorzugt behandelt.<\/p>\n
Falls sich jemand schon einmal gefragt hat, warum sich die gro\u00dfen Technologiekonzerne gerade Irland oder Luxemburg f\u00fcr Ihre Europazentrale ausgesucht haben, dann hat man hier die Erkl\u00e4rung gefunden, es ist nicht wegen der guten Luft in Irland und auch nicht wegen des guten Essens in Luxemburg.<\/p>\n
Zus\u00e4tzlich gibt und gab es eine Reihe von Sonderregelungen die Unternehmen die M\u00f6glichkeiten gibt \u00fcberhaupt keine Unternehmenssteuern abzuf\u00fchren. Eine beliebte Konstruktion ist der Double Irish with a Dutch Sandwich:<\/p>\n
<\/p>\n
Nehmen wir beispielsweise einen gro\u00dfen US Technologiekonzern, der in \u00d6sterreich seine Produkte vertreibt.<\/p>\n
Der Konzern gr\u00fcndet zwei Irische Unternehmen. Das erste ist ein Unternehmen mit Steuersitz in Irland. Das zweite Unternehmen ist ein Unternehmen auf den Bermudas. Das erlaubt eine Besonderheit im Irischen Steuerrecht. Wenn das Unternehmen operativ nicht in Irland t\u00e4tig ist, kann es auch im Ausland besteuert werden. Hier wird deswegen die Bermudas gew\u00e4hlt weil es dort keine Unternehmenssteuern gibt. Auf den Bermudas erwirtschaftete Gewinne bleiben also vollkommen steuerfrei.<\/p>\n
Der Konzern \u00fcbertr\u00e4gt nun die Patentrechte oder Markenrechte oder sonstiges geistiges Eigentum an dieses neu gegr\u00fcndete Unternehmen auf den Bermudas. Das Unternehmen in Bermuda r\u00e4umt einem ebenfalls neu gegr\u00fcndeten Unternehmen in den Niederlanden Rechte (eine Lizenz) ein die Markenrechte oder das geistige Eigentum, dass sich nun im Eigentum des Unternehmens auf Bermuda befindet zu nutzen.<\/p>\n
Das Niederl\u00e4ndische Unternehmen r\u00e4umt nun dem ersten neuen Irischen Unternehmen die gleichen Rechte ein. Das Irische Unternehmen zahlt nun Lizenzgeb\u00fchren an das Niederl\u00e4ndische Unternehmen. Diese Konstruktion ist deswegen notwendig, weil bei einer direkten \u00dcberweisung an die Firma auf den Bermudas Quellensteuer anfallen w\u00fcrde. Duchr ein Abkommen zwischen den Niederlande und Irland werden Lizenzgeb\u00fchren von dieser Steuerpflicht ausgenommen.<\/p>\n
Das Irische Unternehmen wiederum \u00fcberl\u00e4sst diese Rechte dem \u00d6sterreichischen Unternehmen. Das \u00d6sterreichische Unternehmen wiederum mu\u00df als Gegenleistung f\u00fcr diese Rechte Lizenzgeb\u00fchren an das Irische Unternehmen abf\u00fchren. Diese Lizenzkosten sind dann im Regelfall so hoch wie die Gewinne in \u00d6sterreich w\u00e4ren. Dadurch werden die Gewinne in \u00d6sterreich vollst\u00e4ndig durch die Lizenzgeb\u00fchren aufgefressen. Es sind daher in \u00d6sterreich leider keine Gewinne zu versteuern. Die Niederlassung in \u00d6sterreich nagt ja am Hungertuch.<\/p>\n
Damit ist der Gewinn aus \u00d6sterreich vollkommen unversteuert auf den Bermudas gelandet. Ebenso aus allen anderen Europ\u00e4ischen L\u00e4ndern. Weder der Fiskus in \u00d6sterreich, noch der in Irland, Niederlanden haben Steuern gesehen. Und im Steuerparadies Bermudas gibt es ohnehin keine Steuern.<\/p>\n
Die neue Einrichtung eines solchen Konstrukts ist seit 2015 nicht mehr m\u00f6glich. Denn in Irland eingerichtete Unternehmen m\u00fcssen nun auch ihren Steuersitz in Irland haben. Es gibt aber f\u00fcr Unternehmen die diese Konstruktion bereits nutzen gro\u00dfz\u00fcgige \u00dcbergangsfristen bis 2020.<\/p>\n
Aus Sicht der Europ\u00e4ischen B\u00fcrger und Konsumenten sind diese Steuerpraktiken abzulehnen, denn warum sollten es gro\u00dfe Unternehmen richten k\u00f6nnen, und keine Steuern auf ihre Gewinne zahlen, w\u00e4hrend Arbeitnehmer ihre Steuer bereits vom Arbeitgeber abgezogen bekommen. Der Grenzsteuersatz liegt in \u00d6sterreich immerhin jetzt bei 55%.<\/p>\n
Aber auch aus Sicht der lokalen Unternehmen und der \u00d6sterreichischen Wirtschaft f\u00fchrt eine derartige Besteuerung zu einer Wettbewerbsverzerrung. Der lokale Wirtschaftstreibende f\u00fchrt brav seine Steuern ab. Er konkurriert aber mit Unternehmen die ungleich behandelt werden. Die ungleiche Besteuerung ist Wettbewerbsverzerrend.<\/p>\n
Die Europ\u00e4ischen Staaten (aber auch die USA) haben nichts davon. Einzig durch den Steuerwettbewerb unter den einzelnen EU Mitgliedssaaten bleiben ein paar Br\u00f6sel in einem der L\u00e4nder (Irland, Luxemburg) h\u00e4ngen. Aus einer gesamtheitlichen Sicht ist das aber ein volkswirtschftlicher Irrsinn der hier angestellt wird. Alle Europ\u00e4ischen Staaten fallen um die Steuerzahlungen um, nur um ein paar wenige Arbeitspl\u00e4tze f\u00fcr (relativ kleine) Europahauptquartiere in eines der Mitgliedsl\u00e4nder zu zerren.<\/p>\n
Die Europ\u00e4ische Union ist dagegen auch machtlos, denn die Steuergesetzgebung f\u00e4llt in die Kompetenz der Mitgliedsl\u00e4nder. Einzige vern\u00fcnftige L\u00f6sung um solche Stilbl\u00fcten zu l\u00f6sen w\u00e4re eine Fiskalunion zus\u00e4tzlich zur W\u00e4hrungsunion.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
Steuergesetzgebung und Digitale Gesellschaft Die Steuergesetzgebung in Europa ist ein wichtiges Thema. Derzeit gibt es innerhalb Europas keine einheitliche Steuergesetzgebung. Die Mitgliedsstaaten legen die Steuern selbst fest. Steuern sind auch ein Mittel um Anreize von Unternehmen zu setzen sich in einem Land niederzulassen. Wenn man Also im Land A weniger Steuer bezahlt, dann wird ein […]<\/p>\n","protected":false},"author":1128,"featured_media":6742,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"_bbp_topic_count":0,"_bbp_reply_count":0,"_bbp_total_topic_count":0,"_bbp_total_reply_count":0,"_bbp_voice_count":0,"_bbp_anonymous_reply_count":0,"_bbp_topic_count_hidden":0,"_bbp_reply_count_hidden":0,"_bbp_forum_subforum_count":0,"_et_pb_use_builder":"","_et_pb_old_content":"","_et_gb_content_width":"","footnotes":"","_wpscp_schedule_draft_date":"","_wpscp_schedule_republish_date":"","_wpscppro_advance_schedule":false,"_wpscppro_advance_schedule_date":"","_wpscppro_custom_social_share_image":0,"_facebook_share_type":"","_twitter_share_type":"","_linkedin_share_type":"","_pinterest_share_type":"","_linkedin_share_type_page":"","_instagram_share_type":"","_medium_share_type":"","_threads_share_type":"","_selected_social_profile":[]},"categories":[211,5729],"tags":[127,171,291],"class_list":["post-6740","post","type-post","status-publish","format-standard","has-post-thumbnail","hentry","category-unternehmen","category-gerechtigkeit","tag-eu","tag-europa","tag-steuergesetzgebung"],"jetpack_featured_media_url":"https:\/\/digisociety.ngo\/wp-content\/uploads\/sites\/23\/2016\/01\/taxes-1032643_1920.jpg","_links":{"self":[{"href":"https:\/\/digisociety.ngo\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/6740","targetHints":{"allow":["GET"]}}],"collection":[{"href":"https:\/\/digisociety.ngo\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/digisociety.ngo\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/digisociety.ngo\/wp-json\/wp\/v2\/users\/1128"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/digisociety.ngo\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=6740"}],"version-history":[{"count":0,"href":"https:\/\/digisociety.ngo\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/6740\/revisions"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/digisociety.ngo\/wp-json\/wp\/v2\/media\/6742"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/digisociety.ngo\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=6740"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/digisociety.ngo\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=6740"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/digisociety.ngo\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=6740"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}