{"id":21278,"date":"2019-04-22T13:21:08","date_gmt":"2019-04-22T11:21:08","guid":{"rendered":"https:\/\/press.ccc.at\/dsnew\/?p=21278"},"modified":"2021-08-09T17:23:25","modified_gmt":"2021-08-09T15:23:25","slug":"hat-mitterlehner-recht","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/digisociety.ngo\/2019\/04\/22\/hat-mitterlehner-recht\/","title":{"rendered":"Steuern wir auf eine illiberale Demokratie zu?"},"content":{"rendered":"
Der ehemalige Vizekanzler und \u00d6VP Chef Reinhold Mitterlehner sagte im Zuge seiner Buchpr\u00e4sentation, dass \u00d6sterreich darauf zusteuere eine illiberale Demokratie zu werden.<\/a><\/p>\n Wikipedia sagt dazu:<\/p>\n In einer illiberalen Demokratie schr\u00e4nkt eine demokratisch gew\u00e4hlten Regierung oder ein Staatsoberhaupt individuelle Freiheiten und Grundrechte<\/a> ein. Dies kann geschehen, wenn die Verfassung des Staates keinen Schutz dieser Freiheiten festschreibt oder das Regime sich ich \u00fcber sie hinwegsetzt. Grund daf\u00fcr ist die Annahme der regierenden Gruppierung, dass sie durch die Wahl von der Bev\u00f6lkerung erm\u00e4chtigt wurde, so zu handeln, wie sie es f\u00fcr richtig h\u00e4lt, ohne R\u00fccksicht auf bestehende Gesetze, solange sie nur regelm\u00e4\u00dfig Wahlen abh\u00e4lt.<\/p>\n Wenn wir diese Definition heranziehen, dann werden wir einige Merkmale einer illiberalen Demokratie in \u00d6sterreich finden:<\/p>\n Es gibt einige Anzeichen auch in \u00d6sterreich, dass wir uns auf eine illiberale Demokratie zubewegen. Einige Aspekte, wie wir sie aus Polen oder Ungarn kennen, fehlen aber noch (das soll aber keine Handlungsanleitung sein).<\/p>\n Die Verfassung ist zum Schutz der B\u00fcrger_innen vor der Macht der Regierenden da. Die Verfassung sch\u00fctzt also die Grund- und Freiheitsrechte der B\u00fcrger und B\u00fcrgerinnen.<\/p>\n Diese beiden Punkte sind daher besonders im Blickfeld illiberaler Demokratien: wer eine Verfassungsmehrheit hat, kann selbst Verfassungsgesetze beschlie\u00dfen. Auf Basis dieser Gesetze muss dann das Verfassungsgericht entscheiden. Wer beides in der Hand hat, kann also tun und lassen, was ihm beliebt.<\/p>\n Die Digital Society setzt sich daf\u00fcr ein, dass die Digitalisierung<\/a> nicht als Grund oder Anlass f\u00fcr Einschr\u00e4nkungen der Freiheitsrechte herangezogen wird. Die heute verf\u00fcgbaren Technologien<\/a> machen ja viele Dinge m\u00f6glich, die fr\u00fcher nicht oder nur mit gro\u00dfem Aufwand umsetzbar gewesen w\u00e4ren: Massen\u00fcberwachung, Kennzeichenerfassung, Filtern von Inhalten und anderes mehr.<\/p>\n Wir sind:<\/p>\n Die Digital Society ist ein von Firmen und Parteien unabh\u00e4ngiger Verein. Wir setzen uns mit dem Fokus der \u201eDigitalen Transformation\u201c \u2013 f\u00fcr B\u00fcrger_innen und Unternehmen ein. Wir diskutieren mit engagierten Menschen innerhalb und au\u00dferhalb des Vereins, wo die digitale Welt hingehen soll und wie wir sie gestalten wollen. Unsere “Teams” bringen die besten K\u00f6pfe zusammen, identifizieren Herausforderungen, erarbeiten L\u00f6sungsm\u00f6glichkeiten und sammeln \u201eBest Practices\u201d.<\/p>\n Gemeinsam wollen wir nach unserem Motto \u201c\u2026 changing the digital world together!\u201d nichts weniger, als die Welt zu einem besseren Platz zu machen.<\/p>\nWas ist eine illiberale Demokratie?<\/h2>\n
Warum steuert \u00d6sterreich darauf zu, eine illiberale Demokratie zu sein?<\/h2>\n
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\nWie in unserem gestrigen Blogpost aufgezeigt<\/a><\/strong>, hat die Regierung einige \u00dcberwachungsgesetze auf den Weg gebracht bzw. plant dies noch zu tun. Das reicht von der anlasslosen \u00dcberwachung der KFZ Kennzeichen bis hin zur neuesten Idee der Gesichtserkennung durch k\u00fcnstliche Intelligenz<\/a>, das Abh\u00f6ren von Handygespr\u00e4chen \u00fcber s.g. IMSI Catcher und die Registrierung von SIM Karten bis hin zum neu geplanten “digitalen Vermummungsverbot”.
\nHier muss erw\u00e4hnt werden, dass diese Gesetze bereits in der gro\u00dfen Koalition (SP\u00d6\/\u00d6VP) begonnen wurden. Die Scharfmacher dabei waren aber Innenministerin Mikl-Leitner (\u00d6VP) und Wolfgang Sobotka (\u00d6VP). Die SP\u00d6 muss sich hier aber vorwerfen lassen, zumindest mitgespielt zu haben.<\/li>\n
\nWir sehen immer wieder Aktionen der Regierung, die als Angriffe auf die Pressefreiheit gewertet werden k\u00f6nnen. Die Pressefreiheit ist ohnehin derzeit stark unter Druck, weil durch die digitale Transformation<\/a> vielen Redaktionen Geld fehlt. Hier wird durch Inserate der \u00f6ffentlichen Hand Abh\u00e4ngigkeit gef\u00f6rdert. Wer nicht spurt, bekommt kein Geld mehr. Dem ORF Reporter Enst Gelegs<\/a><\/strong> wird vom Stiftungsrat Steger (FP\u00d6) angedroht, wenn er nicht den W\u00fcnschen der Regierungspartei entsprechend berichtet, ihm der Vertrag nicht verl\u00e4ngert wird.
\nDie Diskussion um die ORF Geb\u00fchren (die zweifellos reformiert werden m\u00fcssen) ist ebenfalls so zu werten, dass die ohnehin bereits gro\u00dfe Abh\u00e4ngigkeit des ORF durch Steuerfinanzierung noch weiter erh\u00f6ht werden soll.
\nMit diesem Thema besch\u00e4ftigen wir uns beim Digitalk im Mail zum Thema Medienfinanzierung<\/a><\/strong>.
\nSpannend ist hier auch, dass in vielen F\u00e4llen Journalisten diskreditiert werden (Stichwort “L\u00fcgenpresse”) oder selbst “Wahrheiten” mit parteinahen Medien erfunden werden.<\/li>\n
\nDer Sager von Innenminister Kickl, dass das Recht der Politik zu folgen hat<\/a><\/strong>, ist im Zusammenhang mit der Europ\u00e4ischen Menschenrechtskonvention<\/a><\/strong> EMRK in zweifacher Weise beunruhigend. Nicht nur, dass hier an einer der wenigen Grundfesten Europas ger\u00fcttelt wird, wird auch die Gewaltentrennung hier infrage gestellt. Der Sager von Kickl war sicher nicht un\u00fcberlegt oder ist ihm passiert. Hier wurde absichtlich provoziert. Diese Aussage zeigt sehr klar, was als\u00a0 illiberale Demokratie definiert ist. Grundrechte<\/a> werden infrage gestellt, und Kickl k\u00fcndigt an, diese abzuschaffen, wenn sie der eigenen Politik im Weg sind.<\/li>\n
\nEs muss sich etwas \u00e4ndern. Das war das Hauptmotiv der W\u00e4hler bei der letzten Nationalratswahl. Aber was? \u00d6sterreich z\u00e4hlt zu den sichersten und reichsten L\u00e4ndern der Welt. Uns geht es ausgesprochen gut. Damit Aktionen der Regierung legitimiert werden k\u00f6nnen, braucht es einen Grund. Wenn es keinen gibt, dann erfindet man eben einen. Die im ersten Punkt genannten Gesetze werden legitimiert, und zwar durch das “subjektive Sicherheitsgef\u00fchl”. Also das dumpfe Gef\u00fchl der Bev\u00f6lkerung, dass es so viel Kriminalit\u00e4t gibt. Die Kriminalstatistik sagt etwas anderes. N\u00e4mlich, dass die Kriminalit\u00e4t generell sinkt. Mit zwei Ausnahmen: Cyberkriminalit\u00e4t und Wirtschaftskriminalit\u00e4t. Gerade f\u00fcr diese zwei Bereiche k\u00f6nnen “die Ausl\u00e4nder”, die immer herhalten m\u00fcssen, wirklich nichts.
\nDa mittlerweile auch den meisten ged\u00e4mmert haben m\u00fcsste, dass seit mittlerweile Jahren kaum noch “Ausl\u00e4nder” zu uns kommen, haben wir einen neuen Schuldigen gefunden – die “Sozialschmarotzer”. Wir nehmen also denen, die ohnehin wenig haben, das wenige auch noch weg. Wir werden damit allerdings riskieren, dass die Kriminalit\u00e4tsraten wieder steigen. Unl\u00e4ngst wurde eine \u00fcber 80-j\u00e4hrige Frau in Wien verurteilt, weil sie im Supermarkt Packerlsuppe gestohlen hat. Ich mache mir Sorgen in einer Gesellschaft zu leben, wo Menschen nicht gen\u00fcgend Geld haben, um sich Essen zu leisten. Wenn Menschen in aussichtslose Situationen gebracht werden, dann werden sie sich so gut es m\u00f6glich ist selbst helfen, sei es durch Diebstahl, Einbruch oder Raub. Aber hey, das k\u00f6nnen wir dann ja Nutzen, um weitere Repressionen gegen die eigene Bev\u00f6lkerung einzuf\u00fchren, denn es ist ja zu ihrem eigenen Schutz.<\/li>\n<\/ul>\n\n
\nIn Ungarn wurde z.B. das Wahlrecht so abge\u00e4ndert, dass Fidesz (die Volkspartei von Viktor Orban) Wahlen auch gewinnt, wenn sie gar keine Mehrheit mehr hat, bzw. mit 44,5% eine Verfassungsmehrheit<\/a> <\/strong>bekommen hat.<\/li>\n
\nIn Polen hat man einfach unliebsame Verfassungsrichter<\/a><\/strong> fr\u00fchzeitig pensioniert und durch eigene Leute ersetzt. Auch in Ungarn hat Orban das Verfassungsgericht de facto entmachtet<\/a><\/strong><\/li>\n<\/ul>\n\n
\n(Es wurden schon viele Staatsformen ausprobiert, aber noch keine bessere gefunden).<\/li>\n
\nDie Digitalisierung<\/a> hat enorme neue M\u00f6glichkeiten gebracht. Wir wollen, dass diese positiv f\u00fcr die Menschen und nicht gegen uns genutzt wird.<\/li>\n
\nEs hat sich in Jahrtausenden gezeigt, dass Kollaboration immer besser ist als Konfrontation.<\/li>\n
\nWir haben in \u00d6sterreich noch immer als einziges Land Europas ein Amtsgeheimnis, statt eines Transparenzgesetzes. Alle Politiker bekennen sich zu Transparenz<\/a>, es passiert aber nichts. Transparenz<\/a> erm\u00f6glicht Kontrolle. B\u00fcrger_innen haben in einer Demokratie nur die M\u00f6glichkeit die M\u00e4chtigen zu kontrollieren, wenn sie auch die notwendigen Informationen dazu bekommen.<\/li>\n
\nB\u00fcrger_innen m\u00fcssen die M\u00f6glichkeit haben, sich bei anstehenden Entscheidungen einzubringen. Daf\u00fcr ist Transparenz<\/a> notwendig, denn ohne Informationen kann niemand entscheiden. Wir brauchen aber auch funktionierten Journalismus.<\/li>\n
\nInformationen m\u00fcssen recherchiert und so aufbereitet werden, dass es die \u00d6ffentlichkeit auch leicht versteht. Die Welt wird immer komplexer, daher ist gerade die Aufbereitung von Zusammenh\u00e4ngen extrem wichtig.<\/li>\n<\/ul>\nDigital Society \u2013 eine gro\u00dfe Bitte!<\/h2>\n