{"id":21162,"date":"2019-03-14T18:38:48","date_gmt":"2019-03-14T17:38:48","guid":{"rendered":"https:\/\/press.ccc.at\/dsnew\/?p=21162"},"modified":"2021-08-10T08:41:49","modified_gmt":"2021-08-10T06:41:49","slug":"eu-urheberrecht-gemeinsamer-offener-brief-oesterreichischer-verbaende","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/digisociety.ngo\/2019\/03\/14\/eu-urheberrecht-gemeinsamer-offener-brief-oesterreichischer-verbaende\/","title":{"rendered":"EU Urheberrecht: Gemeinsamer offener Brief \u00d6sterreichischer Verb\u00e4nde"},"content":{"rendered":"
\"\"

Team Grundrechte<\/a><\/p><\/div>\n

Sehr geehrte Abgeordnete zum Europ\u00e4ischen Parlament,
\nsehr geehrte Damen und Herren,<\/p>\n

die unterzeichnenden \u00f6sterreichischen Institutionen m\u00f6chten im Rahmen dieses offenen Briefs ihre gemeinsamen Bedenken bez\u00fcglich des Kompromissvorschlags zur geplanten Urheberrechtsrichtlinie ausdr\u00fccken, \u00fcber welchen Ende M\u00e4rz im EU-Parlament abgestimmt werden soll.<\/p>\n

Zwar begr\u00fc\u00dfen die Unterzeichnenden die Intentionen hinter der geplanten Richtlinie, durch einen harmonisierten Rechtsrahmen f\u00fcr das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt Anreize f\u00fcr Innovation, Kreativit\u00e4t, Investitionen und die Produktion neuer Inhalte zu schaffen. Der ausverhandelte Kompromiss l\u00e4uft diesen Zielen jedoch klar zuwider, indem Innovation und Kreativit\u00e4t beschr\u00e4nkt werden und der Anreiz f\u00fcr die Etablierung
\nneuer Gesch\u00e4ftsmodelle geschw\u00e4cht wird.<\/p>\n

Dabei sind insbesondere gravierende Auswirkungen f\u00fcr europ\u00e4ische Klein- und Mittelunternehmen zu bef\u00fcrchten, wobei das augenscheinliche Ziel der Richtlinie, ein Level Playing Field f\u00fcr europ\u00e4ische und gro\u00dfe USamerikanische Unternehmen zu schaffen, verfehlt wird. Aus diesem Grund wird der aktuelle Vorschlag auch von gro\u00dfen Teilen der Wissenschaft, Wirtschaft, Bev\u00f6lkerung sowie selbst von Teilen der Kreativwirtschaft abgelehnt.
\nDie Anpassung des europ\u00e4ischen Urheberrechtsrahmens an das digitale Zeitalter stellt eine wichtige Chance zur Gestaltung der Zukunft des europ\u00e4ischen Lebens- und Wirtschaftsraums dar, welche eine gerechte Balance zwischen den Interessen der Kunstschaffenden, Unternehmen und der Bev\u00f6lkerung schaffen sollte. Unserer Ansicht nach ist der aktuelle Kompromissvorschlag dazu aus den folgenden Gr\u00fcnden jedoch leider nicht
\nimstande:<\/p>\n

Das geplante Leistungsschutzrecht schafft neue Probleme, ohne vorhandene zu l\u00f6sen<\/strong> Die zunehmende freie Verf\u00fcgbarkeit digitaler Inhalte hat zu einem ver\u00e4nderten Nutzerverhalten und neuen Herausforderungen f\u00fcr etablierte Presseverlage gef\u00fchrt. Ums\u00e4tze werden verst\u00e4rkt durch Einnahmen aus Onlinewerbung und nicht mehr durch Verk\u00e4ufe des jeweiligen Presseerzeugnisses generiert, wodurch eine
\nstarke Abh\u00e4ngigkeit von Websiteaufrufen generiert wurde. Obwohl urspr\u00fcnglich dazu gedacht, Presseverlegern einen Anteil an der Wertsch\u00f6pfung durch die Verwendung ihrer Inhalte speziell durch News-Aggregatoren und Suchmaschinenbetreiber zuzusprechen, geht der nun vorliegende Artikel 11 weit dar\u00fcber hinaus und birgt Gefahren f\u00fcr den freien Informationszugang. Die Erfahrungen in Spanien und Deutschland haben zudem bereits gezeigt, dass die Einf\u00fchrung von Leistungsschutzrechten hierzu keinen L\u00f6sungsansatz bringen w\u00fcrde. Vielmehr w\u00fcrden dadurch gerade kleinere Medien eher unverh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig benachteiligt werden. Daneben wird durch den Vorschlag auch die Etablierung von innovativen Gesch\u00e4ftsmodellen auf Basis von im Internet frei verf\u00fcgbaren Informationen, etwa im Bereich der Textanalyse durch
k\u00fcnstliche Intelligenz<\/a>, verhindert und damit die Entwicklung einer entsprechenden zukunftsorientierten Industrie in Europa erschwert. Leistungsschutzrechte bringen somit eine \u201elose-lose\u201c Situation sowohl f\u00fcr Journalisten, Presseverleger, Anbieter von Suchdiensten, Newsportalen sowie nicht zuletzt Nutzerinnen und Nutzer und stehen dem Bestreben nach einem verbesserten,fortschrittlichen Urheberrecht klar entgegen.<\/p>\n

Trotz der w\u00f6rtlichen Ausnahme aus Artikel 11 ist die Zukunft der Nutzung von Hyperlinks erheblich gef\u00e4hrdet, da diese in der Regel im Zusammenhang mit kurzen Textausschnitten (Snippets) verwendet werden, deren Zul\u00e4ssigkeit jedoch unter den Vorgaben der Richtline zweifelhaft erscheint. Mangels einer konkreten Definition \u201eeinzelner W\u00f6rter\u201c, wird dieser Begriff wom\u00f6glich erst durch den Europ\u00e4ischen Gerichtshof gekl\u00e4rt werden
\nm\u00fcssen und l\u00e4sst bis dahin zahlreiche Inhalteanbieter in Ungewissheit. Hiervon werden auch zahlreiche private Betreiber von Online-Blogs und \u00e4hnlichen Informationsseiten betroffen sein. Angesichts der \u00e4u\u00dferst weiten Auslegung von \u201ekommerziellen T\u00e4tigkeiten\u201c durch den EuGH in der Vergangenheit wird die ebenfalls enthaltene Ausnahme f\u00fcr nicht-kommerzielle T\u00e4tigkeiten wohl nur \u00e4u\u00dferst selten angewendet werden.<\/p>\n

Von einer Verpflichtung zu Upload-Filtern profitieren vor allem etablierte Online-Plattformen<\/strong>
\nObwohl im Gesetzestext nicht ausdr\u00fccklich erw\u00e4hnt, ist eine Umsetzung von Artikel 13 ausschlie\u00dflich durch Verwendung von Upload-Filtern m\u00f6glich. Die Entwicklung und Anwendung der entsprechenden Software ist in der Praxis mit hohen Kosten verbunden, welche wiederum nur von einigen gro\u00dfen Unternehmen getragen werden k\u00f6nnen. Diese Unternehmen verf\u00fcgen zum Teil bereits \u00fcber eine entsprechende
Technologie<\/a>, w\u00e4hrend
\ngerade Klein- und Mittelunternehmen erst in diese investieren m\u00fcssten und dadurch weiter benachteiligt werden. Der durch die Richtlinie angestrebte Zweck, gerade den europ\u00e4ischen Markt zu stimulieren, wird damit klar verfehlt. Vielmehr ist eine Konzentration der bereits etablierten gro\u00dfen Online-Plattformen zu erwarten. Dar\u00fcber hilft auch die enthaltene Ausnahmebestimmung f\u00fcr Start-Ups nicht hinweg, da diese nur auf drei Jahre
\nbeschr\u00e4nkt ist, ein Zeitraum in dem neue Unternehmen in der Regel nicht ansatzweise dazu im Stande sind, zu etablierten Unternehmen aufzuschlie\u00dfen. Zudem werden durch diese Einschr\u00e4nkung bestehende Klein- und Mittelunternehmen bereits ab In-Kraft-Treten der Richtlinie vor enorme Herausforderungen gestellt. Die Erfahrung mit Upload-Filtern hat dar\u00fcber hinaus gezeigt, dass es nicht m\u00f6glich ist, die entsprechende
\nSoftware auf die Feinheiten des europ\u00e4ischen Urheberrechts, welches durch zahlreiche nationale Ausnahmebestimmungen gepr\u00e4gt ist, einzustellen. Angesichts des strikten Haftungsregimes f\u00fcr Online-Plattformen ist zu erwarten, dass im Zweifel eher mehr Inhalte blockiert werden als notwendig, wodurch sowohl Auswirkungen auf den freien Informationszugang sowie auch auf die Kunstschaffenden selbst, deren Inhalte
\nebenfalls herausgefiltert werden k\u00f6nnen, zu erwarten sind. Dar\u00fcber hinaus wird Online-Plattformen dadurch die Aufgabe \u00fcbertragen \u00fcber die Rechtm\u00e4\u00dfigkeit von Nutzerinhalten zu urteilen, eine Entscheidung, die bislang den Gerichten vorbehalten war. Eine solche Auslagerung staatlicher Aufgaben an private \u2013 und zumeist auch nicht europ\u00e4ische \u2013 Unternehmen ist unserer Ansicht nach in einer demokratischen Gesellschaft bedenklich.<\/p>\n

Es zeigt sich daher, dass sowohl Artikel 11 als auch Artikel 13 Unternehmen, Kunstschaffende und Nutzerinnen und Nutzer gleicherma\u00dfen vor erhebliche Nachteile stellt, denen kein klarer Vorteil gegen\u00fcbersteht. Hierdurch werden sowohl die Ziele der Richtlinie als auch eine gerechte Balance der involvierten Interessen klar verfehlt. Aus diesem Grund ersuchen wir Sie, trotz etwaiger anderer Parteilinie auf europ\u00e4ischer Ebene, den Kompromissvorschlag im Rahmen des Plenarvotums Ende M\u00e4rz abzulehnen, um eine Debatte f\u00fcr ein tats\u00e4chlich zukunftsfittes Urheberrecht im digitalen Zeitalter im Rahmen der n\u00e4chsten Legislaturperiode zu erm\u00f6glichen.<\/p>\n

Hochachtungsvoll,<\/p>\n

\"Unterzeichner<\/p>\n

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